Landkreis Harburg
Zu viel oder kein Sex sind für Schwangere keine Lösung

Susanne Schulz-Ille mit der Urkunde ihres Forschungspreises | Foto: Schulz-Ille
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„Hat Geschlechtsverkehr einen Einfluss auf die Dauer einer Schwangerschaft und wie erleben Paare Empfehlungen dazu?“ Dieser Frage ging die Buchholzer Hebamme und Sexualpädagogin Susanne Schulz-Ille für ihre Masterarbeit im Studiengang "Sexualwissenschaft" nach. Auch etliche WOCHENBLATT-Leserinnen und -Leser beteiligten sich nach einem Aufruf an der Umfrage - und trugen so zum positiven Ergebnis bei: Denn Susanne Schulz-Ille erhielt für ihre Masterarbeit die Note 1,0 und zudem einen Forschungspreis für herausragende Abschlussarbeiten der Medical School Hamburg (MSH). Und nicht nur das: Sie erhielt einen Lehrauftrag an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg mit Aussicht auf eine Promotionsstelle.

Fast 2.400 Eltern
beteiligten sich an Umfrage

Wie berichtet, nahmen an der anonymen Umfrage der Sexualwissenschaftlerin 2.395 Eltern teil, deren Kinder nicht älter als drei Jahre sind, darunter nur 55 Männer. Mit den Ergebnissen ihrer Arbeit hat Susanne Schulz-Ille bisherige Theorien und Ammenmärchen rund um das Thema Geburt widerlegt - nämlich, dass Sperma oder der Orgasmus der Frau Einfluss auf einen zu frühen oder späteren Geburtszeitpunkt haben.

Und: Werdende Eltern erleben häufig Unsicherheiten im Umgang mit Sexualität während der Schwangerschaft und sind dankbar für angemessene, vorsichtige Beratung. Lediglich 27 Prozent der Befragten erhielten eine Beratung zum Thema Sexualität in der Schwangerschaft. Für 46 Prozent war Sexualität in der Schwangerschaft wichtig oder sehr wichtig, 33 Prozent verzichteten auf Sexualität wegen medizinischer Gründe, wie beispielsweise nach Abraten durch den Geburtshelfer.

Repräsentative
Masterarbeit gelobt

Prof. Dr. phil. Urszula Martyniuk, Professorin für Sexualwissenschaft an der MSH, lobte bei der Masterarbeit der Buchholzerin u.a. "die umfangreiche Stichprobengröße sowie die repräsentative Rekrutierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland über verschiedene Kanäle." Dazu gehörten u.a. der redaktionelle Beitrag im WOCHENBLATT, Aufrufe in sozialen Medien, Flyer in Arztpraxen, Verteilung von Handzetteln und die Verbreitung durch Hebammen.

Susanne Schulz-Illes Ergebnisse zeigen, "dass penetrierender Geschlechtsverkehr Frühgeburten nicht negativ zu beeinflussen scheint. Vielmehr deuten die Daten darauf hin, dass häufigere Sexualität einen potenziell schützenden Effekt auf die Schwangerschaftsdauer ausübt. Die häufige Empfehlung, auf Sexualität zu verzichten, um eine Frühgeburt zu vermeiden, sollte überdacht werden.

Des Weiteren zeigen die Ergebnisse, dass zur Vermeidung von Terminüberschreitungen Geschlechtsverkehr wirkungslos ist. Die gängige Empfehlung, mehr Geschlechtsverkehr durchzuführen, um eine Geburtsterminüberschreitung zu vermeiden, sollte folglich nicht mehr gegeben werden."

Forschung zu Frühgeburten
als sehr relevant bewertet

Weiter heißt es in der Beurteilung, dass Susanne Schulz-Illes Forschung bezüglich der Frühgeburtlichkeit sehr relevant sei, da Deutschland im europäischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Frühgeburtenrate aufweise und die Beratungsansätze zur Sexualität in der Schwangerschaft oft einschränkend seien. Gleiches gelte für die Geburtsterminübertragung. Denn eine nicht auf Beweise gestützte Empfehlung zu mehr Geschlechtsverkehr übe Druck auf werdende Eltern aus und werde oft als übergriffig empfunden.

Auch könnten "Unsicherheiten in der Sexualität während der Schwangerschaft zu Einschränkungen und Distanz über die Geburt hinaus zwischen den Partnern führen und langfristige, nachteilige Wirkung für Partnerschaft und Sexualität zur Folge haben."

Umdenken im Umgang
mit Sexualität bei Schwangeren

Ein Umdenken im Umgang mit Sexualität in der Schwangerschaft ist erforderlich und weitere Forschung in diesem Bereich notwendig. Lobend erwähnt wird auch, dass Susanne Schulz-Ille durch ihre Tätigkeit als Hebamme und Sexualpädagogin sowie ihre Lehrtätigkeit im Hebammenstudium an der HAW Hamburg zu einem Wissenschaft-Praxis-Transfer dieser Forschungsergebnisse erheblich beitrage und sich damit für die Förderung sexueller Gesundheit werdender Eltern einsetze.

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