Insider sagt: "Das war eine saudumme Idee"
Der Buxtehuder Hengst-Klau: Krimi oder Posse?
tk. Buxtehude. Pferde-Happy-End: Der in der Nacht zu Samstag in der vergangenen Woche in Buxtehude gestohlene Hannoveraner-Hengst ist wieder da. Er wurde am Montagabend von einer Zeugin im Raum Zeven entdeckt. Die Polizei rückte sofort aus und das Pferd wurde seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Jetzt steht der Dreijährige in einem Stall bei Hamburg. Die Ermittler halten sich zurzeit noch bedeckt. Wer hat den Hengst, der einen Wert von rund 100.000 Euro hat, aus welchem Grund aus seiner Box entführt? Und: Was kann ein Täter überhaupt mit einem solchen Hochkaräter für den Dressursport anfangen, wenn er nichts hat außer dem Pferd? Eine Spurensuche.
"Das war ein Schreckmoment", sagt der Hofbesitzer* aus Buxtehude, wenn er an die Nacht zu Samstag zurückdenkt. Er war wachgeworden, weil er Geräusche aus dem Stall gehört hatte. Drei Pferde liefen über die Stallgasse. Nachdem die Tiere wieder sicher in ihren Boxen untergebracht waren, folgte der noch größere Schreckmoment: Der Hengst war weg.
"Das bekommt ein Einzelner nicht hin", ist sich der Mann sicher. Der oder die Täter müssen das Pferd aufgehalftert und aus der Box geführt haben. Das Risiko, ertappt zu werden, war dabei riesig. Der Hengst war mit zwei Eisen beschlagen. Das Geräusch von beschlagenen Hufen in einer stillen Nacht ist weithin zu hören. Derweil die freigelassenen Pferde für Unruhe sorgten, müssen die Täter den Hengst bester Abstammung auf einem Pferdeanhänger verladen haben. "So etwas bekommt man nur mit Pferdeerfahrung hin", so der Stallbesitzer.
Der gestohlene und wieder-gefundene Hengst war ein dreijähriger Nachkomme von "Bon Coeur". Mit besten Anlagen ausgestattet, war er für den Dressursport vorgesehen und er wurde bereits trainiert.
Eine Frage, die sich viele Pferdehalter nach diesem dreisten Diebstahl stellten: Wer macht so etwas? Denn: Das Pferd war weg, aber der E-Pass, sozusagen der Personalausweis für Pferde, war noch bei seinem Besitzer. Die Daten zur Identität eines bei einem Verband eingetragenen Pferdes gehen weit über Basisinformationen hinaus.
Wilken Treu ist Geschäftsführer beim Hannoveraner Verband mit Sitz in Verden. "Die DNA von jedem eingetragenen Pferd ist in einer Datenbank hinterlegt", erklärt er. Die deutschen Warmblutverbände würden das seit Jahren beim Nachwuchs zu 100 Prozent praktizieren, inzwischen sei das auch vorgeschrieben. Das heißt: Niemand in Deutschland kann Pferd X als Pferd Y eintragen lassen. Selbst wenn ein Chip zur Identifikation aufwändig herausoperiert und durch einen neuen ersetzt würde, fliegt der Schwindel auf. "Das Pferd ist mit seiner DNA registriert und kann logischerweise nicht plötzlich ein anderes sein", so Treu.
Außer das Tier irgendwo in der Einöde alleine hinzustellen und vermeintlich liebzuhaben - was allerdings das Gegenteil von artgerechter Haltung wäre -, brächte ein Pferdediebstahl dem Täter nichts. "Es sei denn, man bringt ein Pferd ins Ausland, wo nicht überall so streng wie in Deutschland hingeguckt wird", sagt der Experte.
Gut, dass es der Bon-Coeur-Nachkomme nur bis Zeven geschafft hat. Und abwarten, was die Polizei noch herausfindet. *Name der Redaktion bekannt
Das sagen Insider über den Fall:
(tk). Das Verschwinden und Wiederauftauchen des Hannoveraner-Hengstes hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Sogar dem internationalen Magazin "Eurodressage" war das eine Meldung wert. Bei dem Bon-Coeur-Nachkommen handelt es sich um den Anfang April in Luhmühlen zum Prämienhengst gekörten Bon Coeur/Londonderry/Brentano-II-Nachfahren. Darüber hatte das "Züchter Forum" als Erstes berichtet.
Das WOCHENBLATT hat mit mehreren Insidern gesprochen, die deutschlandweit in der Züchterszene sehr gut vernetzt sind. Zwei Experten bezweifeln, dass der Hengst tatsächlich 100.000 Euro wert sein soll. Sie ordnen ihn derzeit zwischen 30.000 und 40.000 Euro ein. Die Auszeichnung Prämienhengst habe das Pferd aber deutlich - auch im Preis - aufgewertet.
Was bei der Körung in Luhmühlen auffiel: Bei dem nachträglich gemeldeten Pferd fehlten bei den öffentlich einsehbaren Unterlagen jegliche Angaben zum Halter. Das kann, so ein Insider, der späten Anmeldung geschuldet gewesen sein. Es sei mitunter zudem normal, dass die tatsächlichen Eigentümer oder Eigentümergemeinschaften auch nicht in Erscheinung treten wollten.
Mit einer Mischung aus Rat- und Fassungslosigkeit haben Pferdeexperten die mutmaßliche Entführung verfolgt. Häufig geäußerte Vermutung: Hier sei etwas aus dem Ruder gelaufen und den Beteiligten über den Kopf gewachsen. "Saudumm" nennt ein Fachmann den Diebstahl. Derzeit nicht belegbar, laut einem Insider aber sehr plausibel: Es könnte Unstimmigkeiten über die tatsächlichen Besitzverhältnisse des Hengstes gegeben haben. Nicht nur die Hannoveraner-Welt in Norddeutschland schaut gespannt auf das, was die Ermittlungen der Polizei noch ergeben werden.
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