Nachgefragt beim Kinderschutzbund in Buchholz
Wie schaffen wir es, Kinderarmut abzubauen?
Wenn in Berlin nicht über das Heizungsgesetz gestritten wurde, dann über die geplante neue Kindergrundsicherung. Die soll Leistungen von Kindergeld über Kinderzuschlag bis Bildungs- und Teilhabepaket zusammenfassen. Die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus wollte den Fördertopf zudem um zwölf Milliarden Euro aufstocken. FDP-Finanzminister Christian Linder will dagegen höchstens zwei Milliarden herausrücken. Während der Sommerpause soll ein Kompromiss gefunden werden.
"Wie schaffen wir es, Kinderarmut in Deutschland abzubauen", das sei die zentrale Frage, betont Dr. Anne Buhr, Vorsitzende des Kinderschutzbundes im Kreis Harburg. Werde nicht mehr für Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit getan, dann spalte das auf mittlere Sicht die Gesellschaft.
Bei diesem Thema spricht die ehemalige Lehrerin und Schulleiterin nicht über theoretische Fragen, sondern über Erfahrungen aus ihrer ehrenamtlichen Arbeit. "Wir erleben erschöpfte Eltern, die nicht wissen, wie sie weiterkommen können." Sie haben sich im Dickicht der Fördertöpfe und -möglichkeiten verlaufen. Der Kinderschutzbund könne Wege und Möglichkeiten aufzeigen - am Grundproblem unübersichtlicher Strukturen ändert das nichts.
Für Anne Buhr ist es daher gleichermaßen wichtig, bei der Kindergrundsicherung die Strukturen zu verbessern und gleichzeitig genug Mittel bereitzustellen. Wobei es aus ihrer Sicht durchaus sinnvoll wäre, einige Geldströme aus den Fördertöpfen direkt an Vereine oder Institutionen zu leiten, die sich um Kinder in benachteiligten Situationen kümmern. Die leisten wichtige Arbeit und würden dadurch mehr Planungssicherheit bekommen.
KOMMENTAR: Mehr Geld für Chancengleichheit
"Es ist schwer, durch dieses Dickicht durchzukommen", sagt ein Verwaltungsprofi über die verschiedenen Fördertöpfe, die unterschiedlichen Gesetze und Kostenträger, die eigentlich nur eine Aufgabe haben: Kindern Teilhabe und Bildungschancen zu ermöglichen, wenn die Eltern nicht genug Geld haben. Insofern sei das, was mit der Kindergrundsicherung geplant sei, nämlich ein Zusammenfassen aller Leistungen, der richtige Weg. Gleichwohl bezweifelt der Experte, dass am Ende etwas herauskommt, das wirklich Bürokratie gen Null absenkt.
Die Kritik am Bestehenden hat mich neugierig gemacht. Es gibt Dutzende, teils offizielle Ministeriums-Seiten, die von Kindergeld über Kinderzuschlag (Kiz) bis zum Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) Infos zu Berechtigten und Wege zur Förderung liefern sollen - eigentlich. Unterm Strich: eine verwirrende Vielfalt auch an Infos. Dass etwa Förderberechtigte mitunter auf Zahlungen aus dem BuT-Paket verzichten, kann ich verstehen.
Wer Leistungen vom Jobcenter bezieht, kann dort auch BuT-Mittel beantragen. Aber nicht für alle Arten von Förderungen. Mitunter sind auch Kreise und Kommunen dafür zuständig. Auf einer Info-Homepage stand daher, dass man aus diesem Grund keine allgemeinen Angaben zur Antragstellung machen könne. Aber dort, wo die Anträge einzureichen sind, kann man sie auch bekommen.
Für den KiZ sind, wie für das Kindergeld, die Familienkassen der Agentur für Arbeit zuständig. Dafür ist ein Mindestverdienst erforderlich. Für Alleinstehende 600 Euro monatlich. Bezieht ein Kind Unterhalt, wird die Förderung eingedampft. Aus maximal 250 Euro pro Monat wird schnell ein sehr viel geringerer Betrag, ohne dass das Einkommen von Müttern oder Vätern plötzlich wächst. Gewährt wird das KiZ nur für sechs Monate - Antragsprozedur von vorne.
Und noch etwas ist mir aufgefallen: Bei BuT sollen neben Mensaessen, Klassenfahrten, Nachhilfe und Fahrtkosten zur Schule auch wichtige Freizeitaktivitäten im Sportverein oder der Musikschule gefördert werden. Dafür gibt es monatlich 14 Euro. Beim Blick in die Gebührenordnung einer regionalen Musikschule das ernüchternde Ergebnis: Selbst bei einem 50-prozentigem Nachlass für Sozialhilfeempfänger ist Instrumentalunterricht in der günstigen Form der Fünfergruppe und die Miete eines Instruments unbezahlbar. Knapp 30 Euro im Monat wären dafür aufzuwenden.
Es braucht also mehr Geld, um mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Und vorher muss der Weg zur Förderung einfacher werden. Zurzeit ist das ein Marathon mit zusätzlichen Hürden.
Tom Kreib
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