Wird feuriger Liebhaber zum Brandstifter?
Kurzes amouröses Abenteuer endet vor dem Schöffengericht in Stade
Die kurze Liebe ist erkaltet - und statt glühender Leidenschaft stehen plötzlich die Autos der Verflossenen in Flammen. Was sich in jener Herbstnacht mitten im idyllischen Kehdingen zugetragen hat, klingt zunächst nach einem Racheakt eines verschmähten Liebhabers: Vor dem Schöffengericht Stade musste sich jetzt ein 66-jähriger Berliner wegen vorsätzlicher Brandstiftung verantworten. Er war angeklagt, im Oktober 2020 zwei Pkw vor dem Grundstück seiner ehemaligen Kurzzeit-Liebschaft in einem Kehdinger Dorf in Brand gesteckt zu haben.
Der Angeklagte G. leugnete nicht, zur mutmaßlichen Tatzeit nachts um kurz nach zwei in Kehdingen gewesen zu sein. Sein Handy war zum fraglichen Zeitpunkt bei einem nahegelegenen Mobilfunkmast eingebucht. Er bestritt aber, direkt am Tatort gewesen zu sein. Dafür präsentierte G. eine abenteuerliche Geschichte, warum er mitten in der Nacht die rund fünfstündige Autofahrt von Berlin nach Kehdingen unternommen hatte: Als Fischliebhaber decke er sich regelmäßig in Cuxhaven mit größeren Mengen Kabeljau ein. Der Fisch sei dort viel frischer und vor allem nicht so "sauteuer" wie in der Großstadt.
Diesmal sei er nachts unterwegs gewesen, um einen polnischen Kumpel zu einer bestimmten Uhrzeit in Stade abzusetzen. "Ich hatte dann noch reichlich Zeit, bis morgens der Fischladen öffnet", so der Angeklagte. Daher sei er auf die Idee gekommen, seiner "Ex" einen spontanen Besuch abzustatten, um bei ihr zurückgelassene Gegenstände einzufordern.
Eine kleine Rückblende: Mit der 54-jährigen Kehdingerin war G. im Frühjahr 2020 kurzzeitig liiert, war sogar mit Sack und Pack zu ihr gezogen, ließ für die neue Liebe die kranke Ehefrau in Berlin zurück. Doch nach einer Woche habe er festgestellt: "Das läuft nicht." G. beschloss: "Ich mache wieder die Flocke nach Berlin."
Monatelang herrschte Funkstille. Bis G. im September 2020 - rund zwei Wochen vor der Brandnacht - frühmorgens bei seiner einstigen Flamme auftauchte, sich zu der Schlafenden ans Bett setzte und ihr die Wange streichelte. Diese war gar nicht entzückt von den unaufgeforderten Liebkosungen des Eindringlings und komplimentierte G. nach eigener Aussage - sie war neben ihrer Tochter als Zeugin geladen - flugs hinaus.
Zurück zur Tatnacht: Ist der Angeklagte nun rund 14 Tage nach diesem Rauswurf als zündelnder Rächer zurückgekehrt, um den Firmenwagen sowie den Privat-Pkw der Kehdingerin anzuzünden? "Nein", sagt G. Aus dem nächtlichen Besuch sei nichts geworden. Er habe es nicht bis zum Haus seiner Ex geschafft. Ein entgegenkommendes Auto habe ihn von der schmalen Straße abgedrängt. Eine halbe Stunde habe er gebraucht, das festgefahrene Auto aus dem Matsch freizubekommen. Danach sei er frustriert nach Cuxhaven weitergefahren. Als Beleg legt G. einen Bußgeldbescheid vor: In der fraglichen Nacht wurde er um 2.59 Uhr in Otterndorf geblitzt.
Sowohl die Ex als auch deren Tochter können mit ihren Aussagen nichts Erhellendes zu den Tatumständen beisteuern. Ominöse Drohbriefe, in denen die beiden Frauen als Huren tituliert und aufgefordert werden, die Finger von den Männern im Ort zu lassen, machen die Sache noch rätselhafter. Und es gab einen weiteren Tatverdächtigen. Gegen den seien die Ermittlungen aber eingestellt worden, so der Polizist, der als Zeuge geladen war. Der Beamte hatte sich letztlich auf G. fokussiert: "Der Angeklagte war exakt zur Brandzeit im Ort. Das ist mir dann doch ein zu großer Zufall", begründete der Ermittler seinen Verdacht.
Dem Gericht waren dieser Verdacht und die vorliegenden Indizien aber zu dünn. Es folgte dem Antrag von Staatsanwältin und Verteidiger, G. freizusprechen. Die Aussagen des Angeklagten seien zwar wenig glaubhaft, so die Richterin: "Eine unglaubhafte Einlassung ist aber kein Beweis für eine Tat." Die Angaben von G. seien nicht zu widerlegen. Daher gelte der alte Rechtsgrundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.
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