Artikel im "Stader Wochenblatt" von 1869
Als es in Stade noch eine Synagoge gab
Weite Teile der Stader Altstadt sind in die Städtebauförderung aufgenommen worden. Dabei geht es nicht zuletzt um den Erhalt historischer Bausubstanz. Fördergelder fließen auch an Hausbesitzer, damit diese ihre denkmalgeschützten Gebäude sanieren können. Ein Beispiel ist ein Wohn- und Geschäftshaus in der Fußgängerzone. Das Haus Hökerstraße 26 wird mit Hilfe von Mitteln aus der Städtebauförderung instandgesetzt. Es zählt wegen seiner besonderen Fassade zu den schönsten Gebäuden in der Stader Altstadt. Eine Besonderheit weist aber auch das Hinterhaus auf: Es wurde als Synagoge genutzt. Für die Sanierung dieses hinteren Gebäudetraktes stellt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) dem Eigentümer Ulf Brokelmann zusätzlich 100.000 Euro bereit.
Synagoge befand sich im Hinterhaus
Das prachtvolle Hauptgebäude, in dessen Erdgeschoss sich heute ein Modegeschäft befindet, wurde 1669 errichtet - zur Zeit der schwedischen Herrschaft in Stade, die vom Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) bis 1719 dauerte. Bauherr war Johann Lüders, der damals als wohlhabendster Bürger Stades galt. Die reichhaltig verzierte Fassade zeugt von damaligem Bürgerstolz.
Deutlich schlichter wirkt dagegen das etwas ältere Hinterhaus, das in Fachwerk ausgeführt ist. Dort befand sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Synagoge der kleinen jüdischen Gemeinde in der Hansestadt. "Erstmals ist die Synagoge im Stader Adressbuch von 1873 aufgeführt", berichtet Stades Stadtarchivarin Dr. Christina Deggim. Nach 1900 habe es dann keine Erwähnung mehr gegeben.
Das Hinterhaus reichte aus, um Platz für alle Gemeindemitglieder zu bieten. Nach den Quellen, die Deggim im Stadtarchiv vorliegen, bestand die jüdische Gemeinde zeitweise nur aus acht erwachsenen Mitgliedern sowie zwei Kindern. Wurden Gottesdienste gefeiert, kamen Mitglieder benachbarter Gemeinden hinzu. Nur so konnte die Mindestzahl von zehn männlichen Gläubigen erreicht werden. Dies ist nötig, um einen den religiösen Vorschriften entsprechenden jüdischen Gottesdienst abhalten zu können.
Paare aus Hamburg heirateten in Stade
Andererseits kamen sogar Paare aus Hamburg, um sich in der Stader Synagoge trauen zu lassen, wie Stadtarchivarin Deggim herausfand. "Die Trauungen nahm der Landrabbiner Dr. Heilbut aus Bremervörde vor. Der Mann muss sehr beliebt gewesen sein." Die Brautleute scheuten dafür keine bürokratischen Hürden. Denn Stade, das damals zu Preußen gehörte, war für die Hamburger Ausland. Und gerade bei Juden sollen die Behörden besonders pingelig hinsichtlich der vorzulegenden Dokumente gewesen sein, so Deggim.
Die Stadtarchivarin will sich jetzt beim Thema jüdisches Leben in Stade auf weitere Spurensuche begeben. "Eine spannende Angelegenheit", findet sie. In einer Ausgabe des "Stader Wochenblatt" vom Juli 1869 hat Deggim bereits einen Bericht über die Einweihung der Vorgänger-Synagoge entdeckt. "Obgleich diese Gemeinde (gemeint ist die jüdische) wenig zahlreich ist, so sind doch an den erforderlichen Herrichtungen keine Kosten gescheut worden, um die Synagoge in einen dem Zwecke entsprechenden Stand zu setzen", heißt es in dem Artikel.
Bei der Einweihungsfeier für die Stader Synagoge sei "eine der Würde des Tages entsprechende Festrede" gehalten worden, "welche bei sämmtlichen Anwesenden den erhebendsten Eindruck gemacht hat".
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