Fast keine Grippekranke - was steckt dahinter?
Mediziner aus Stade und Buchholz klären auf: Corona ist keine Grippe

Es gibt viele verschiedene Virentypen. Aus fachlicher Sicht steht jedenfalls fest: Ein Coronavirus ist kein Grippevirus. Influenzaviren gehören zur Gruppe der Orthomyxoviren. SARS-CoV-2 ist hingegen ein neues Beta-Coronavirus | Foto: Adobe Stock / sdecoret
  • Es gibt viele verschiedene Virentypen. Aus fachlicher Sicht steht jedenfalls fest: Ein Coronavirus ist kein Grippevirus. Influenzaviren gehören zur Gruppe der Orthomyxoviren. SARS-CoV-2 ist hingegen ein neues Beta-Coronavirus
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(jd). Die Grippesaison ist fast vorbei. Doch Grippeerkrankungen hat es diesmal kaum gegeben. Für die Experten liegt der Grund auf der Hand. Die intensiven Schutzmaßnahmen haben dafür gesorgt, dass sich die Grippe nicht ausbreiten konnte. Corona-Leugner sehen das allerdings anders.

"Null Grippe-Todesfälle während der Saison 2020/21 gemeldet. Noch nie in der Geschichte der Medizin ist eine jährliche Krankheit vollständig verschwunden, um durch eine andere mit genau denselben Symptomen ersetzt zu werden." Sprüche dieser Art kursieren derzeit in den sozialen Medien. Die Intention solcher Aussagen ist klar: Das Coronavirus ist eine Erfindung dunkler Mächte oder aber die Profitgier der Pharmaindustrie steckt dahinter.

Fakt ist tatsächlich, dass in der jetzt zu Ende gehenden Grippesaison nur ganz wenige Menschen an der echten Grippe, der sogenannten Influenza, erkrankt sind. In ganz Niedersachsen wurden bislang 39 Fälle nachgewiesen, darunter zwei durch Laboruntersuchungen bestätigte Influenza-Todesfälle. In der vorherigen Grippesaison gab es in Niedersachsen bis zum Beginn der ersten Corona-Beschränkungen im März 2020 fast 9.000 Influenza-Fälle, in der Saison 2018/19 waren es rund 10.600 Fälle und in der Saison 2017/18, als eine Grippewelle durch Deutschland rollte, fast 17.800 Fälle.

Nimmt man den Schnitt der vergangenen drei Jahre, so liegt die Zahl der Grippefälle in diesem Jahr um sagenhafte 99 Prozent niedriger als sonst. Solch ein extremer Rückgang ist offenbar ein gefundenes Fressen für Corona-Verschwörungstheoretiker, die mutmaßen, dass lediglich die Bezeichnungen ausgetauscht wurden: Aus Influenza sei Corona geworden.

Doch der Grund für die extrem wenigen Grippefälle ist gleichermaßen banal wie die Behauptungen der Corona-Leugner absurd sind. "Diese äußerst geringen Fallzahlen bei der echten Grippe und auch anderen typischen Erkältungskrankheiten sind ganz klar auf die Corona-Hygieneregeln zurückzuführen", sagt Dr. Sebastian Philipp, Chefarzt und Ärztlicher Direktor bei den Elbe Kliniken Stade-Buxtehude. Abstand halten, häufiges Händewaschen und das Tragen einer Maske seien nun einmal effektive Maßnahmen, um das Risiko einer Ansteckung deutlich zu senken.

Atemnot bei Corona-Patienten führt zu Erstickungsangst: Chefarzt der Elbe Kliniken in Stade klärt auf

Was sich bei SARS-CoV-2 als probates Mittel in Sachen Infektionsschutz erwiesen habe, gelte für Influenzaviren gleichermaßen, so Philipp - zumal Corona deutlich ansteckender als Grippe sei. Er verweist auf Studien, wonach Corona-Infizierte oftmals drei bis vier weitere Personen anstecken, während bei der Influenza die Ansteckungsrate erheblich geringer ist.

Diese Einschätzung vertritt auch ein Kollege von Philipp: "Die Distanzregeln für Corona haben die Influenza in dieser Saison offenbar gleich im Ansatz erstickt, so meine These", sagt Dr. Christian Pott, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Buchholz. Dass es sich keineswegs um ein- und dasselbe Virus handelt, belegen laut Pott allein schon die La-bortests. "Wir nehmen bei unseren Patienten immer Doppelabstriche, einen für Corona, einen für Grippe." Das genetische Material sei so spezifisch, dass beide Virenarten nicht verwechselt werden können. "Das ist wie bei einer DNA-Spur in der Kriminologie", meint Pott.

Wer Corona mit Grippe gleichsetzen wolle, verkenne nach Ansicht der Mediziner auch, dass bei einer COVID-19-Erkrankung wesentlich häufiger schwerwiegende Krankheitsverläufe auftreten. Zwar weisen beide Erkrankungen im Anfangsstadium weitgehend ähnliche Symptome auf - wie Husten, Fieber oder Gliederschmerzen. Doch bei Corona kommt als typisches Krankheitsbild oftmals noch der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns hinzu.

"Es sterben zu viele und zu junge Menschen"

Dr. Christian Pott, Krankenhaus Buchholz

Auch im fortgeschrittenen Stadium einer ernsthaften Erkrankung seien Corona und Grippe durchaus vergleichbar, so Philipp. "In beiden Fällen kommen die Patienten mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus." Auch Pott bestätigt: "Das Krankheitsbild ist zunächst ähnlich." Doch die Coronaviren richten bei einem schweren Verlauf der Krankheit in der Lunge deutlich mehr Unheil an als eine Grippe.

"Die Viren greifen das Gewebe zwischen den Lungenbläschen an, was die Sauerstoffaufnahme erschwert und zu heftiger Atemnot führt", berichtet Philipp. Anders als bei einer Influenza-Infektion werde die Lunge bei vielen Patienten dauerhaft geschädigt, auch durch Blutgerinnsel, die sich in den feinen Blutgefäßen bilden. "Dieser schädliche Prozess ist auch bei einer Computertomographie zu erkennen", erläutert Pott. Das sei ein ganz anderes Bild als bei einer Grippe.

Diese Corona-spezifischen Blutgerinnsel können sich nach Auskunft der beiden Ärzte auch in anderen Organen bilden. Solche schweren Multi-Organ-Schädigungen kenne man von der Grippe nicht, ebenso wenig wie deren Folgen: das mittlerweile häufig beschriebene sogenannte Long-COVID-Syndrom und die hohe Sterblichkeitsrate.

All dies gebe es bei einer Influenza so nicht, sagt Pott, der eindringlich davor warnt, Corona zu verharmlosen und mit der Grippe gleichzusetzen. "Es sterben zu viele und zu junge Menschen."

Nur zwei Fälle im Kreis Stade
Im Landkreis Stade hat das Gesundheitsamt während der aktuellen Grippesaison bisher nur zwei Fälle von Influenza registriert, in der Saison 2019/20 waren es 121 Fälle und 2018/19 sind 129 Fälle erfasst worden.

Zwei Hausärztinnen über die Unmöglichkeit, Corona und Erkältung zu unterscheiden
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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