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Gedanken des SPD-Ratsherrn
Diskussion um Bützflether Freibad: Stellungnahme von Kai Koeser

Der Stader SPD-Vorsitzende Kai Koeser (kl. Foto) hat sich in der Diskussion um das Bützflether Freibad zu Wort gemeldet | Foto: Förderverein/Susanna Brunkhorst
  • Der Stader SPD-Vorsitzende Kai Koeser (kl. Foto) hat sich in der Diskussion um das Bützflether Freibad zu Wort gemeldet
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Das Freibad in der Stader Ortschaft Bützfleth ist sanierungsbedürftig: Darüber wird wohl niemand ernsthaft diskutieren. Ob eine umfangreiche Sanierung möglich ist oder das Schwimmbad womöglich durch einen Neubau in kleinerer Ausführung ersetzt wird, darüber wird in der Stader Politik aktuell beraten. Entwürfe der Stader Bädergesellschaft  - der Stadtwerke-Tochter gehört das Bad - gibt es bereits. Der Trägerverein für das Freibad, dessen Mitglieder sich ehrenamtlich für die Pflege und den Erhalt der Freizeiteinrichtung engagieren, hat angekündigt, einen eigenen Plan für die Modernisierung des Bades vorzulegen. Zu heftigen Reaktionen in Bützfleth führte eine von einzelnen Stader Politikern angeschobene Debatte, den Erhalt des Bades grundsätzlich infrage zu stellen. Das WOCHENBLATT hat ausführlich über das Thema an dieser Stelle berichtet: "Ein Ort in Aufruhr" (bitte klicken)

Die Redaktion hat dazu eine Stellungnahme des Stader SPD-Ratsherrn Kai Koeser erreicht. Koeser ist Vorsitzender der SPD in der Hansestadt Stade sowie im Landkreis Stade. Ihm werden Ambitionen nachgesagt, bei der nächsten Stader Bürgermeisterwahl im Jahr 2026 zu kandidieren. Insofern dürften Koesers Ausführungen für manchen Leser aus Stade von Interesse sein. Das WOCHENBLATT sieht aufgrund der Länge von Koesers Statement von einer redaktionellen Bearbeitung des passagenweise geradezu literarischen Textes ab und veröffentlicht den Text an dieser Stelle ausschließlich online:

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Persönliche Stellungnahme zur Zukunft des Bützflether Freibades

Das Bützflether Freibad ist ein emotionaler Ort. Viele haben in den letzten Jahrzehnten dort ihre ersten Schwimmerfahrungen gemacht. Auch ich selber habe dort das Schwimmen gelernt – meine Sportlehrerin von damals würde wohl sagen: eher schlecht als recht. In einer Zeit, als die Fernreise noch nicht für alle selbstverständlich war, haben viele von uns dort einen großen Teil ihrer Sommerferien verbracht. Die Bützfletherinnen und Bützflether waren immer zu Recht stolz auf ihr wunderschönes Freibad, das Menschen aus der ganzen Region - und auch aus „der Stadt“ - anzog. Sicherlich war das Freibad auch immer ein Ort des Triumphes gegenüber der Stadt Stade im Zuge der ungeliebten Eingemeindung. Die drohende Schließung vor 20 Jahren führte somit erwartbar zu massiven Protesten aus der Bevölkerung. Umso irritierender dürfte die aktuelle Debatte um die Zukunft des Bützflether Freibades für viele Menschen sein.

Schmerzhafte Veränderungen der Infrastruktur
Als ich in Bützfleth aufgewachsen bin, gab es im Ort noch zwei Lebensmittelhändler, zwei Schlachter, zwei Bäcker, Milchladen (in bequemer Fußläufigkeit zur alten Schule), Reisebüro, Apotheke, Drogerie, mindestens vier Gasthöfe und einen Imbiss, Post, Bank, Sparkasse, zwei Blumengeschäfte, zwei Elektrofachgeschäfte, die Raiffeisen-Genossenschaft, mindestens drei Friseure, Gemüsemann, Fischwagen, Fachgeschäfte für Damenoberbekleidung, Lederwaren und Porzellan, die Kirchengemeinde mit (vermutlich) einer vollen Pfarrstelle, Feuerwehr, Schützenverein, Sport- und Tennisverein und eben das Freibad. Man konnte so ziemlich alles in Bützfleth bekommen. Für alles andere fuhr man nach Assel, Drochtersen oder Stade oder bestellte bei den großen Versandhäusern – damals noch aus dem Katalog.

Was ist von dieser Infrastruktur heute in Bützfleth noch übrig? Von wenigen Ausnahmen abgesehen vor allem jene, die vom Ehrenamt getragen wird. Dabei sind diese Veränderungen natürlich nicht spezifisch für Bützfleth. Auch die Nachbarschaften in der Kernstadt haben sich in den letzten Jahren verändert. Fährt man von Bützfleth den Obstmarschenweg Richtung Freiburg zeigt sich vielerorts ein ähnliches Bild.

Die emotionale Debatte um die Schließung des beliebten EDEKA-Marktes im Stader Kopenkamp vor wenigen Monaten hat deutlich gemacht, dass diese Einrichtungen neben ihrer Funktion für die Nahversorgung für die Menschen vor allem einen wichtigen Zweck erfüllen: als soziale Treffpunkte. In den Corona-Jahren haben wir alle nochmal erfahren, wie wichtig diese Begegnungen sind. Sie geben uns Menschen Halt und Heimat. Gerne erinnere ich mich an das Gefühl der Sicherheit, wenn man schon als Kind bekannt war, beim Einkauf in Bützfleth ebenso wie im Lottoladen an der Harsefelder Straße. Denn dort kauften eben auch die Eltern und Großeltern. Neben dem Einkauf bekam diese dort alle wichtigen Neuigkeiten oder auch mal weniger wichtige, aber umso spannendere. Zur Wahrheit gehört, dass wir selber für das Verschwinden von großen Teilen dieser sozialen Infrastruktur verantwortlich sind. Der Wocheneinkauf im Discounter, das abendliche Online-Shopping, verändertes Freizeitverhalten, sich verändernde berufliche Verpflichtungen, Kirchenaustritte, sinkendes ehrenamtliches Engagement sorgen alle dafür, dass Gewohntes vor unserer Haustür verschwindet.

Wir brauchen soziale Treffpunkte
Vielen ist inzwischen sehr bewusst, wie wichtig diese Orte des Zusammenkommens sind, für Heimatgefühl und Zusammenhalt in der gesamten Gesellschaft. Das zeigt das jahrelange ehrenamtliche Engagement zum Erhalt des Bützflether Freibades ebenso wie beispielsweise der Einsatz Freiwilliger zur Rettung der Tribüne auf dem Güldenstern-Sportplatz in Campe. Das zeigt sich auch an der immer noch starken Vereinsstruktur in Bützfleth. Hier arbeiten Menschen jeden Tag freiwillig und unentgeltlich und mit großem Einsatz für das Gemeinwesen. Das ist unbezahlbar.
Trotzdem lösen sich soziale Strukturen auf. Millieus verschwinden, in Campe genauso wie in Bützfleth. Gleichzeitig leben wir in einer sich immer schneller verändernden Welt, in der gerade lokale Fixpunkte und Verlässlichkeiten wieder wichtiger werden.

Gesichter der Ortschaften haben sich geändert
Zweifelsohne hat sich das Gesicht von Bützfleth mit der Industrialisierung massiv verändert. Auch Hagen, Haddorf und Wiepenkathen oder Schölisch, Campe und Barge sind nicht mehr vergleichbar mit den alten Dörfern. Auch dort verschwindet Infrastruktur oder ist bereits lange verloren. In Bützfleth wiegt dieser Verlust zum Teil sicher schwerer. Es liegt weiter entfernt von der Stadt, ist schlechter angebunden, historisch anders verortet und emotional in Stade nie ganz angekommen. Vieles wurde in der Vergangenheit wohl versäumt. Die Bützfletherinnen und Bützflether zahlen einen hohen Preis für die Nähe zur Industrie. Egal ob es die Rammschläge vom Bau des neuen Hafenterminals sind, die man bei einer Beerdigung auf dem Friedhof hört oder der Turm des AOS-Werkes, der nicht nur aus Richtung Moor die Silhouette dominiert. Die Industrie ist immer präsent. Gleichzeitig haben natürlich auch die Menschen in Bützfleth vom Wohlstand profitiert, den die Industrieansiedlungen gebracht haben. So manches Familienheim hätte so nicht gebaut werden können ohne die Gehälter aus der Industrie und auch so mancher Bützflether geht sicher gerne ins Stadeum.
In den letzten Jahren sind hohe Summen aus Stadt, Land und Bund nach Bützfleth geflossen. Weitere Maßnahmen sind im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts vorgesehen. Mit der Ortskernsanierung sind viele Verbesserungen erreicht worden – von der Schwelle in der Kirchstraße vielleicht einmal abgesehen. Doch ich erinnere auch noch, welch selbstmörderisches Unterfangen es war, die Hauptstraße auf Höhe der Kirchstraße früher zu überqueren. Mitten im Ort. Dort, wo alle Nahversorger saßen. Das Gesicht von Bützfleth hat sich verändert. Es wird sich weiter ändern. Manches mag dabei Sorge machen. Etliche Veränderungen werden aber auch Chancen mit sich bringen, die Anbindung verbessern und den Ort vom Straßenverkehr entlasten. Die Sicherstellung der Nahversorgung und der Erhalt der sozialen Infrastruktur werden bei diesen Prozessen wichtige Aufgaben sein.

Schließung des Freibades bisher keine Option
In den Beratungen der SPD-Fraktion vor Beginn der Sommerpause war die Schließung des Freibades in Bützfleth keine ernstzunehmende Option. Veränderte Fakten durch explodierende Kosten aus bisher unbekannten Gründen mögen die Debatte hierzu vielleicht noch verändern. Diese ist dann aber mit großer Offenheit und Transparenz vor allem mit den Menschen in Bützfleth zu führen. Angesichts der aktuellen städtischen Haushaltslage wird uns in unmittelbarerer Zukunft die eine oder andere unangenehme Verzichtsdebatte nicht erspart bleiben. Das ist völlig unabhängig von den guten Zukunftsperspektiven Stades als Industriestandort und Energiedrehscheibe.

Der sich nun aufzeigende hohe Investitionsbedarf im Bützflether Freibad ist ein Symptom für ein allgemeines Problem: Wir haben zu wenig in den Erhalt unserer Infrastruktur investiert. Das gilt nicht nur für Bützfleth. Das gilt nicht nur für Stade. Wenn die Gefahr besteht, dass in den Erinnerungen der zahllosen internationalen Fußballfans von der EM vor allem die Unzuverlässigkeit der Bahn im Gedächtnis bleibt, dann zeigt das ganz deutlich: das gilt fürs ganze Land. Als Kommune tragen wir dabei die geringste Schuld, denn bei der Durchführung großer Infrastrukturmaßnahmen sind wir auf die Ko-Finanzierung von Land und Bund angewiesen. Dabei haben wir als Kommune aber die vielleicht größte Verantwortung, um das Vertrauen der Menschen in unseren Staat sicherzustellen. Denn, wenn es vor der Haustür nicht klappt, das spüren die Bürgerinnen und Bürger sofort.

Schwimmbäder sind für Kommunen immer eine finanzielle Katstrophe, ein dauerhaftes Zusatzgeschäft. Trotzdem gibt es gute Gründe, ein Freibad zu betreiben.

Es fördert Gesundheit und Fitness, gerade in einer älterwerdenden Gesellschaft dürfen wir das nicht vernachlässigen.
Es dient als sozialer Treffpunkt.
Es erhöhte Lebensqualität und ist Erholungsraum gerade für jene, die im Sommer nicht verreisen können.
Kinder und Jugendliche haben dort einen Ort der Entwicklung.
Schwimmunterricht ist lebenswichtig.

Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten
Neben den positiven Effekten für die Bevölkerung, Tourismus und auch lokale Wirtschaft spricht ein ganz wichtiges Argument für den Erhalt des Bützflether Freibades: die Vertragstreue der Hansestadt Stade. Wir müssen uns als Hansestadt – in der Tradition des ehrbaren Kaufmannes - als verlässliche Partnerin erweisen. Da hilft es nicht, sich darauf zu berufen, die vertragliche Vereinbarung rund um die Eingemeindung stünde ja nicht unter Ewigkeitsgarantie. „Nichts kommt von selbst. Und wenig ist von Dauer“, sagte Willy Brandt. Das wissen auch die Bützflether. Ich halte es trotzdem für wichtig, dass die Menschen in ganz Stade ihre Stadt, Politik und Verwaltung als verlässliche Partner erleben und ihnen vertrauen können. Dann kann man auch mal gemeinsam scheitern. Wichtig ist nur, dass man gemeinsam gekämpft hat.

Ganz neben bei sehe ich das auch als einzige Chance für eine gemeinsame Zukunft, in der sich die Bützfletherinnen und Bützflether auch als Stader Bürger sehen. Ich glaube weiter daran: neben dem stolzen Kehdinger Herzen ist Platz für ein kleines Herz für die Hansestadt Stade.

Auf einer solchen Vertrauensbasis kann man dann auch unbequeme Gespräche führen, miteinander und auf Augenhöhe.

Unser Auftrag: Zukunft des Freibades
Unser Auftrag als Kommunalpolitik ist jetzt, nach Wegen für eine Zukunft des Bützflether Freibades zu suchen. Es sei denn, aus der Ortschaft kämen andere Signale. Dabei sollten wir es unbedingt vermeiden, unterschiedliche Interessen gegeneinander auszuspielen, weder die von Stade gegen die von Bützfleth, noch die des Freibades gegen die anderer Akteure und Einrichtungen im Ort. Politik und Verwaltung müssen dabei als verlässliche Partner an der Seite der Menschen wahrgenommen werden."

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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