Gibt es bald Geld statt Gutscheine?
Landrat geht davon aus, dass Asylbewerber künftig nur Barleistungen erhalten.
Die Diskriminierung von Asylbewerbern an den Ladenkassen hat womöglich bald ein Ende: Der Landkreis Stade erwägt, die Ausgabe von Wertgutscheinen für Lebensmittel einzustellen - eventuell bereits zum 1. Mai. Stattdessen sollen Asyl-Antragsteller ihre Sozialleistungen ausschließlich in bar ausgezahlt bekommen. Das kündigte Landrat Michael Roesberg in einem Gespräch mit Vertretern des Arbeitskreises Asyl aus Harsefeld und der Buxtehuder Bürgerinititative Menschenwürde an.
Beide Aktionsgruppen kritisieren das umstrittene Gutscheinsystem, das in den meisten Bundesländern längst abgeschafft ist. Roesberg erwartet, dass Innenminister Boris Pistorius (SPD) die bisherige Praxis, ein Großteil der monatlichen Leistungen (217 von 354 Euro) in Form von Gutscheinen zu entrichten, per Erlass untersagt. Dass Pistorius es den Landkreisen freigestellt hat, zwischen Geld und Gutscheinen zu wählen, hält Roesberg für rechtlich bedenklich.
Asylbewerber wünschen sich Bargeld-Auszahlung
Einkaufen, was man möchte, und an der Supermarktkasse dafür ganz normal mit Geld bezahlen - was für die meisten Menschen in unserem Land eine Selbstverständlichkeit ist, wird einer Minderheit seit Jahren verwehrt: Wer Asylbewerber ist, muss in den Geschäften vom Sozialamt ausgegebene Gutscheine einlösen, um Lebensmittel oder Kleidung zu erwerben (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach). Nun hat rund ein Drittel der 330 Asylbewerber im Landkreis Stade beantragt, künftig Bargeld statt Gutscheine zu erhalten. Vertreter von zwei hiesigen Initiativen, die sich für die Belange von Flüchtlingen einsetzen, überreichten die Anträge kürzlich Landrat Michael Roesberg. Dieser stellte eine Abkehr vom Gutschein-Verfahren in Aussicht.
Der Landrat erwartet in Kürze einen entsprechenden Erlass des Innenministeriums. "Sobald die Mitteilung aus Hannover kommt, wird auch der Landkreis Stade auf Geldleistung umstellen. Dies wird frühestens zum 1. Mai sein", erklärte Roesberg bei der Übergabe der Anträge von 107 Asylbewerbern. Diese Anträge waren zuvor an einem Stand gesammelt worden, den Aktivisten des Arbeitskreises Asyl und der Bürgerinitiative Menschenwürde am Gutschein-Ausgabetag vor dem Kreishaus aufgebaut hatten.
Laut Roesberg schreibt es das Asylbewerber-Leistungsgesetz vor, in erster Linie Sachleistungen zu gewähren. Wenn der neue Innenminister dieses Bundesgesetz nun anders interpretiere als sein Vorgänger, müsse eine einheitliche Regelung für alle Landkreise in Niedersachsen getroffen werden, so Roesberg. Derzeit liefen dazu Gespräche der kommunalen Spitzenverbände mit dem Innenministerium, die der Landkreis abwarten wolle.
Aus den Reihen der beiden Initiativen wurde darauf hingewiesen, dass die Gutschein-Praxis nicht nur diskriminierend sei, sondern viele Asylbewerber auch vor praktische Probleme stelle. "In Oldendorf gibt es beispielsweise keinen einzigen Laden, der solche Gutscheine annimmt", berichtete der Pastor Gerald Flade. Und sein Mitstreiter Wolfgang Gesenharter machte deutlich, dass Bargeld insbesondere für die Bezahlung von Anwälten, Sprachkursen oder auch Fahrkarten benötigt werde.
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