Zwischenfazit nach der Hälfte der Amtszeit
Halbzeitbilanz: Interview mit dem Stader Landrat Kai Seefried und drei ehrenamtlichen Bürgermeistern
(jd). Im Herbst 2021 wurde der CDU-Politiker Kai Seefried aus Drochtersen-Assel mit knapp 56 Prozent der Stimmen zum Landrat des Landkreises Stade gewählt. Seine Amtszeit beträgt fünf Jahre. Damit ist jetzt Halbzeit für den Landrat. Anlass genug für das WOCHENBLATT, Seefried um eine Zwischenbilanz zu bitten: Welches Fazit zieht er nach zweieinhalb Jahren an der Spitze der Kreisverwaltung? Wie kommt er mit seiner Aufgabe als Chef einer großen Behörde zurecht? Und was hat er sich für die zweite Hälfte seiner Amtszeit vorgenommen? Das Interview mit dem Landrat hat WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann geführt.
WOCHENBLATT:Herr Landrat, Sie haben keine klassische Verwaltungslaufbahn absolviert. Was war für Sie die größte Herausforderung, als Sie den Chefposten einer Behörde mit fast 1.000 Beschäftigten angetreten haben?
Kai Seefried: So ganz neu und fremd waren mir die Abläufe und Strukturen nicht. Durch meine langjährige Tätigkeit in der Kommunalpolitik, als Abgeordneter im Landtag und Generalsekretär der CDU in Niedersachsen mit der Einbindung in die Regierungsabläufe konnte ich bereits viel Erfahrung sammeln. Aber natürlich gab es auch einiges dazu zu lernen: die richtige Farbe zum Abzeichnen der Vorgänge, so manches Kürzel und konkrete Verfahrensabläufe. Zum Glück habe ich eine tolle Sekretärin und auch ein super Team in der Behördenleitung, die mich hier sehr unterstützt haben. Die sogenannte „Gittermappe“ wird aber trotzdem nicht mehr mein Freund werden, ich setze hier auf digitale Verfahrensabläufe.
WOCHENBLATT:Sie kommen als Handwerksmeister aus der freien Wirtschaft. In welchen Bereichen würden Sie sich wünschen, wenn die Kreisverwaltung wie ein Wirtschaftsunternehmen und nicht als Behörde agieren könnte?
Kai Seefried: Ich habe im vorigen Jahr beim IHK-Neujahrsempfang gesagt: „Wir verwalten uns zu Tode.“ Die immer weiter ausufernde Bürokratie frisst uns auch als Verwaltung auf. Ich kann gar nicht genügend Menschen einstellen, um die immer wieder dazukommenden Aufgaben entsprechend bearbeiten zu können. Jetzt muss ich natürlich zugeben, dass es hier der Wirtschaft genauso ergeht und wir gemeinsam unter der Bürokratie leiden. Daher bleibt hier meine Forderung: Es muss in unserem Land auch mal wieder einfacher und schneller werden.
WOCHENBLATT: Was bedeutet das konkret?
Kai Seefried: Vor allem die Schnelligkeit unternehmerischer Entscheidungen und deren Umsetzungen ist ein großer Vorteil, den ich auch gerne hätte. Prozesse und Verfahrensabläufe in der Verwaltung dauern durch Beteiligungsverfahren, Mitbestimmung und Ausschreibungspflichten einfach viel länger. Vor allem aber würde ich mir mehr Flexibilität im Bereich der Personalentwicklung wünschen. Hier ist der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für uns vielfach eine Fessel, die uns im Bereich von Gehältern und Prämien im Vergleich zur freien Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig macht. Gerade im Bereich des Straßenbaus haben wir in den vergangenen Jahren darunter sehr gelitten.
WOCHENBLATT: Nach Ihrem Amtsantritt haben Sie mit einem neuen Führungsstil frischen Wind ins Stader Kreishaus gebracht. Wie sind die Verwaltungsmitarbeiter damit zurechtgekommen? Ziehen alle im Kreishaus mit oder gibt es auch Bremser?
Kai Seefried: Es liegt in der Natur des Menschen, dass Veränderungen bisweilen eher Ängste und Sorgen auslösen. Mir ist ganz wichtig, die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und Veränderungen als Chance zu nutzen. Hierzu gehört ein breit angelegter Change-Management-Prozess mit einer umfangreichen Beschäftigtenbefragung oder auch meine „Bierdeckel-Aktion“, um die direkte Kommunikation zu stärken. Ich habe das Gefühl, dass dieser Weg gelingt und insgesamt eine große Veränderungsbereitschaft und eine Lust auf neue Wege besteht. Die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung haben dies unterstrichen und viele Kolleginnen und Kollegen arbeiten aktiv in den Arbeitsgruppen im Rahmen des Change-Managements mit. Ich danke wirklich allen Kolleginnen und Kollegen für diese Unterstützung.
WOCHENBLATT: Mit Verlaub: Der Homepage des Landkreises merkt man – abgesehen vom Link zum Serviceportal – bisher nichts vom „frischen Wind" in der Kreisverwaltung an. Wann ist hier mit einem Relaunch zu rechnen?
Kai Seefried: Ein offene und möglichst transparente Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern ist mir besonders wichtig. Hierzu gehören natürlich auch das Internet und auch die Social-Media-Kanäle. Nach meinem Amtsantritt haben wir eigene Kanäle auf Facebook und Instagram eingerichtet und haben dort mittlerweile eine hohe Reichweite in die Region. Auch einen Newsletter haben wir neu eingeführt und die Pressearbeit gestärkt. Jetzt – und da gebe ich Ihnen vollkommen recht – ist unbedingt unsere Internetseite dran. Es wird einen grundlegenden Relaunch geben und auch die Pflege der Seite und damit die Aktualität soll verbessert werden.
WOCHENBLATT: Sie sind regelmäßig auf Social Media unterwegs. Wie viel Zeit verbringen sie täglich mit Instagram und Co.? Und lesen und kommentieren Sie auch die Posts von anderen?
Kai Seefried: Ich lasse dabei keine Stoppuhr mitlaufen, vielleicht sollte ich das mal tun. Nein, im Ernst: Ich schaue schon sehr regelmäßig, welche Themen relevant sind und an mich persönlich oder an das Team unserer Pressestelle über die Landkreis-Auftritte gerichtet werden. Meine privaten Posts mache ich natürlich selbst und versuche vor allem über die „Story“ über meine Arbeit und aktuelle Themen zu informieren. Auch der eine oder andere Kommentar gehört dazu. Für die nächsten Monate planen wir für die Kanäle des Landkreises neue Dialogformate, um vor allem den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern weiter auszubauen.
WOCHENBLATT: Was haben Sie sich noch für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit vorgenommen?
Kai Seefried: Oh, wo soll ich anfangen? Ich habe noch viel vor! Im Zentrum stehen weitere Verbesserungen im Kundenservice für die Bürgerinnen und Bürger. Auf der Agenda stehen die Öffnungszeiten, die Erreichbarkeit, die Kundenführung im Gebäude, Digitalisierung und auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz. Dann muss es uns gelingen, den Sanierungsstau an unseren Kreisstraßen aufzuholen. Ich freue mich auf die Einweihung des neuen Bettenhauses unserer Elbe-Kliniken in Stade und den Neubau eines Gesundheits-Campus, um die Ausbildung zu stärken und unser „Riga-Projekt“ zur Medizinerausbildung umzusetzen. Das Raumordnungsprogramm wird fortgeschrieben und die Erneuerbaren Energien ausgebaut. Der Ausbau im Katastrophen-, Küsten- und der Hochwasserschutz wird unsere Kraft fordern und auch der Einsatz für ein funktionierendes Wolfsmanagement bleibt auf der Themenliste.
WOCHENBLATT: Sie sind jetzt 46 Jahre alt. Wo sehen Sie sich mit 60 Jahren? Oder konkret gefragt: Bleibt es bei Ihrer Ankündigung aus dem Wahlkampf, für weitere Amtszeiten zu kandidieren?
Kai Seefried: Ich hoffe, dass meine Leidenschaft für unseren Landkreis und meine Aufgabe als Landrat spürbar ist. Ich bin mit dem Slogan „Mein Herz für den Landkreis Stade“ in meinen damaligen Wahlkampf gestartet. Der passt nach wie vor und zieht sich durch meine bisherige Amtszeit. Damit ist klar, dass ich auch zukünftig gerne Landrat unseres schönen und dynamischen Landkreises sein möchte und bei der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2026 wieder kandidieren werde.
Drei ehrenamtliche Bürgermeister ziehen Bilanz
Zeitgleich mit den Landrats-Wahlen fanden auch Kommunalwahlen statt. Im November 2021 traten die neu gewählten Gemeinderäte zu ihren ersten Sitzungen zusammen. Bei diesen konstituierenden Ratssitzungen wurden in einigen Gemeinden auch Bürgermeister neu ins Amt gewählt. Vier von ihnen hat das WOCHENBLATT ebenfalls ein paar Fragen im Rahmen einer Halbzeitbilanz gestellt. Im Sinne der politischen Ausgewogenheit sollten Bürgermeister aus den Reihen von CDU, SPD, Grüne und FWG zu Wort kommen. Doch der einzige "Neuling" der SPD auf dem Bürgermeisterposten, Ulrich Rathjens aus Bargstedt, hat die Teilnahme verweigert – ohne Angabe von Gründen. So wurde aus dem Bürgermeister-Quartett ein Trio. Hier die Interviews:
GERD GRUNWALD, Bürgermeister von Neuenkirchen
Was war Ihre Motivation, als Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister zu kandidieren?
Gerd Grunwald (Grüne): Die Kommunalwahlen 2021 haben neue Mehrheitsverhältnisse im Rat von Neuenkirchen geschaffen. SPD und Grüne haben seitdem die Mehrheit. Die SPD hat zwar mehr Sitze, deren Ratsmitglieder sind aber noch berufstätig und wollten daher nicht Bürgermeister werden. So fiel die Wahl auf mich, da ich als Rentner mehr Zeit habe. Für mich war es selbstverständlich, Verantwortung zu übernehmen.
Welches Fazit ziehen nach dem Ablauf der ersten Hälfte Ihrer aktuellen Amtszeit?
Gerd Grunwald: Meine wichtigste Erkenntnis: Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen, dass ich auch als Bürgermeister Dinge nicht so schnell voranbringen kann, wie ich es erhofft habe. Die meisten Themenfelder, die seit Beginn meiner Amtszeit auf der Agenda stehen, konnten noch nicht abgearbeitet werden, weil alles seinen bürokratischen Gang geht. Ein harter Brocken ist beispielsweise das Thema Windkraft. Wenn das Alte Land zum "kulturellen Sachgut" erklärt wird, dürfte der Ausbau der Windenergie bei uns schwierig werden.
Was war für Sie als Neuling im Amt eine besondere Herausforderung?
Gerd Grunwald: Das war anfangs tatsächlich das Zeitmanagement. Es war gar nicht so einfach, Termine für die Sitzungen der Ratsgremien zu finden, an denen alle Zeit haben. Außerdem musste ich erst einmal begreifen, dass unsere Gemeinde aufgrund der miserablen Finanzsituation letztendlich keinen Handlungsspielraum hat. Neuenkirchen ist so gut wie pleite. Bei jeder noch so kleinen Ausgabe müssen wir schauen, wo das Geld dafür herkommt. Trotzdem wollen wir unser Dorfgemeinschaftshaus auf jeden Fall erhalten.
Welche Pläne haben Sie noch für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit?
Gerd Grunwald: Die Projekte, die wir gestartet haben, will ich auf jeden Fall weiter vorantreiben. Windenergie und Photovoltaik sind zwei wichtige Themen. Es wäre doch toll, wenn sich künftig Anlagen entlang der A26 wie auf einer Perlenkette von Stade bis Hamburg aneinanderreihen. Das würde auch Gewerbesteuereinnahmen in die leere Gemeindekasse spülen. Dann muss natürlich die Hochwasser-Problematik bei der Lühe angegangen und vernünftig gelöst werden. Ein Herzensprojekt ist außerdem die Schaffung von Seniorenwohnungen. Hier in Neuenkirchen gibt es viele ältere Menschen, die raus aus ihren zu großen Häusern wollen.
STEFAN HEINS, Bürgermeister von Agathenburg
Was war Ihre Motivation, als Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister zu kandidieren?
Stefan Heins (CDU): Mir lag Kommunalpolitik schon immer. Wenn man etwas bewegen und erreichen möchte, dann sollte man vor Ort anfangen. Da der bisherige Amtsinhaber nach 25 Jahren nicht wieder angetreten war, ergab sich hier die Chance, für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren. Mit Erfolg. Hierzu zählt auch das gute Miteinander im Rat. Und nicht zu vergessen, die Familie, welche uns den Rücken freihält, ehrenamtlich tätig zu sein.
Welches Fazit ziehen nach dem Ablauf der ersten Hälfte Ihrer aktuellen Amtszeit?
Stefan Heins: Im Nachhinein merkt man, wie schnell die Zeit vergeht. Viele angeschobene Projekte aus der vorherigen Amtszeit wurden vollendet, dieses auch im Zuge der Fördermaßnahme Dorferneuerung, an der Agathenburg teilnahm. Ich merke außerdem, manche Ideen und Projekte brauchen Zeit, viel Zeit. Es müssen viele Gespräche geführt werden, Absprachen getroffen, Kompromisse eingegangen und natürlich Ratsbeschlüsse gefasst werden. Hier wünsche ich mir von allen Seiten ein schnelleres Vorgehen.
Was war für Sie als Neuling im Amt eine besondere Herausforderung?
Stefan Heins: Ich möchte es nicht als Herausforderung bezeichnen, es fällt eher in den Bereich der Wertschätzung. Egal ob man auf dem Fußballplatz steht, im Ort spazieren geht oder in der Bürgermeister-Sprechstunde: Man trifft hier Menschen mit Ideen, kleinen Problemen, Hinweisen usw. Und man kann dann schnell und kurzfristig reagieren, um Lösungen zu präsentieren. Sicher ist auch mal ein Anliegen dabei, wo ich nicht helfen kann. Das kommt vor. Dennoch. Auf dem „kleinen“ Dienstweg können Ergebnisse geschaffen werden.
Welche Pläne haben Sie noch für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit?
Stefan Heins: Wir wollen unseren Ort Agathenburg weiter voranbringen. Zum einen unser großes Projekt und Ziel, Neubau Sporthalle. Der Glasfaserausbau läuft, moderate Entwicklung neuer Bauflächen, Lückenbebauung wird angestrebt. Wir unterstützen weiterhin unsere ehrenamtlich tätigen Mitmenschen. Auch hier ein Beispiel, Beschaffung eines neuen Löschfahrzeugs für die Agathenburger Feuerwehr. Einiges wird auch übergeordnet von der Samtgemeinde gesteuert, wir haben dennoch ein Mitspracherecht.
JÖRK PHILIPPSEN, Bürgermeister von Horneburg
Was war Ihre Motivation, als Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister zu kandidieren?
Jörk Philippsen (FWG): Ich wollte mich weiterhin für Horneburg engagieren. Ich war schon lange Zeit Stellvertreter, da war es nur logisch, auch mal direkt als Bürgermeister zu kandidieren.
Welches Fazit ziehen nach dem Ablauf der ersten Hälfte Ihrer aktuellen Amtszeit?
Jörk Philippsen: Es macht mir immer noch Spaß. Ich habe hoch motivierte Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Rat und Verwaltung, die Horneburg lebenswerter machen und voranbringen möchten. Natürlich gibt es immer mal wieder Quertreiber und Kritiker und Phasen, an denen es nicht so läuft. Aber insgesamt passt es.
Was war für Sie als Neuling im Amt eine besondere Herausforderung?
Jörk Philippsen: Ich bin nun auch noch neben dem Amt als Bürgermeister im Flecken Abgeordneter im Kreistag und Mitglied im Samtgemeinderat, in mehreren Ausschüssen usw. Da kommt eine Flut von Terminen auf einen zu, die es zu verwalten und bewerkstelligen geht. Manchmal ist es dann schwer, immer mit voller Hingabe dabei zu sein.
Welche Pläne haben Sie noch für die zweite Hälfte Ihrer Amtszeit?
Jörk Philippsen: Wir haben noch zahlreiche Projekte im Flecken Horneburg; z.B. Straßensanierungen, Wohnmobilstellplatz, Hafenkontor, Güterschuppen, Fußgängerbahnbrücke, Burginsel, Baugebiet Otto-Balzer-Straße, Kinderspielplätze, um nur einige zu nennen. Davon möchte ich möglichst viele Projekte fertiggestellt wissen.
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