Trotz angekündigter Milliarde Euro
Keine Entwarnung für Krankenhäuser

Das Krankenhaus in Winsen schreibt Defizite, da die erbrachten Leistungen nicht adäquat vergütet werden | Foto: ah
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  • Das Krankenhaus in Winsen schreibt Defizite, da die erbrachten Leistungen nicht adäquat vergütet werden
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Die Pressemitteilung, die Landes-Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) am vergangenen Donnerstag verschicken ließ, klang auf den ersten Blick hervorragend: Bund und Länder hätten durch verschiedene Maßnahmen wie Transparenzgesetz, Transformationsfonds, Liquiditätshilfen, die Anpassung beim Landesbasiswert oder die "Fortführung der Verhandlungen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ("Krankenhausreform") ein "großes Paket für Krankenhäuser" beschlossen. In diesem Jahr rechne die Landesregierung mit einer Milliarde Euro zusätzlich für die Krankenhäuser. Sind die finanziellen Sorgen für die regionalen Krankenhäuser damit vom Tisch? Nein, lautet die klare Antwort der Verantwortlichen vor Ort.
"Wir haben die vollmundigen Ankündigungen zur Kenntnis genommen", sagt Kai Uffelmann, Co-Geschäftsführer der Krankenhäuser Buchholz und Winsen, auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Er finde den Optimismus von Gesundheitsminister Philippi toll, "aber ehrlich gesagt erwarten wir nicht, dass viele Mittel bei uns ankommen". Zum einen würden alle Themen wie Energiekosten, Liquiditätsengpässe oder Erhöhung des Landesbasiswerts - dieser bildet die Grundlage zur Berechnung von Leistungen in Krankenhäusern - zusammengeworfen. Zum anderen werde das Hauptproblem, die mangelhafte Erstattung von erbrachten medizinischen Leistungen, nicht angepackt. "Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierung der Krankenhäuser", forderte Uffelmann. Bei der derzeitigen finanziellen Schieflage "helfen uns Einmalzahlungen nicht viel". Wie berichtet, musste der Landkreis Harburg allein im vergangenen Jahr ein Defizit von 17 Millionen Euro für die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen ausgleichen. Geld, das an anderer Stelle fehlt. In diesem Jahr rechnet der Landkreis mit einem Fehlbetrag in ähnlicher Höhe. 
"Wir müssen die Erlöse für die Krankenhäuser erhöhen", betont Kai Uffelmann. Die derzeitige finanzielle Schieflage nehme einer ganzen Branche die Gestaltungsmöglichkeit. Dabei, so berichtet der Co-Geschäftsführer, müssten die Krankenhäuser überhaupt erstmal die Erträge aus der Vergangenheit erzielen. Man verhandele gerade mit den Kostenträgern über das Pflegebudget für 2023. "Das sind überaus harte Verhandlungen mit einer kleinteiligen Dokumentationspflicht und einer großen Prüftiefe durch die gesetzlichen Krankenversicherungen", so Uffelmann. Sein Fazit: Trotz der angekündigten Milliarde Euro für die niedersächsischen Krankenhäuser "gibt es keine Entwarnung".

„Das Vermittlungsergebnis von Bund und Ländern ist Stand jetzt eine Farce", erklärt Siegfried Ristau, Vorsitzender des Verbandes der Krankenhausdirektoren - Landesgruppe Niedersachsen/Bremen - und Geschäftsführer der Elbe Kliniken und OsteMed. "Ursprünglich war vereinbart, dass mit der Zustimmung des Krankenhaustransparenzgesetzes durch die Länder auch sofortige Anhebungen der Krankenhausvergütungen erfolgen." Dies betreffe insbesondere den längst fälligen Inflationsausgleich für die letzten Jahre. "Stattdessen enthalten sowohl das Gesetz als auch die Ankündigungen vom Bundesgesundheitsministerium und vom Niedersächsischen Sozialminister lediglich unverbindliche Ankündigungen."

Gleichzeitig bezögen sich die angekündigten Hilfen für Krankenhäuser im Wesentlichen auf Gelder, die den Kliniken ohnehin zustehen. Sie würden lediglich früher ausgezahlt. "Ich habe aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahren sehr große Bedenken, dass diese Ankündigungen auch nur im Ansatz umgesetzt werden. Damit ändert sich nichts an der akut bedrohlichen Lage, in der sich viele Krankenhäuser befinden. Die Krankenhäuser erhalten durch Auszahlung dieser ‚Schaufenster-Milliarden‘ keinen einzigen Euro zusätzlich", kritisiert Ristau. Was jetzt wirklich helfen würde: Konkrete Zusagen zur finanziellen Stabilisierung der Krankenhäuser anstatt vager Versprechungen ohne inhaltliche oder zeitliche Perspektive.

Dass es einer Krankenhausreform bedarf, sei weiterhin unbestritten. "Doch es wurde auf dem Weg bereits wertvolle Zeit verloren. Das schadet bislang leistungsfähigen Krankenhausstrukturen nachhaltig und gefährdet die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten, insbesondere im ländlichen Raum", so Ristau. Es müssten seitens der Bundesregierung zügig konkrete Maßnahmen zur Sicherung bedarfsnotwendiger Krankenhäuser erfolgen. Nur auf dieser Grundlage könne ein geordneter Reformprozess gelingen.

Das Krankenhaustransparenzgesetz flankiert die seitens der Bundesregierung geplante Krankenhausreform. Das Gesetz bildet die Grundlage für die geplante Veröffentlichung von Struktur- und Leistungsdaten der Krankenhäuser in Deutschland. Patientinnen und Patienten sollen sich informieren können, welches Krankenhaus in ihrer Nähe welche Leistungen anbietet, und wie diese Kliniken hinsichtlich Qualität sowie ärztlicher und pflegerischer Personalausstattung abschneiden.

Zum Krankenhaustransparenzgesetz sagt Siegfried Ristau: „Ich begrüße Transparenz und halte diese im Gesundheitssektor für außerordentlich wichtig." Über die Qualitätsberichte, das Deutsche Krankenhausverzeichnis und auch die Weiße Liste seien bereits sehr viele Daten öffentlich zugänglich. "Gleichzeitig weiß ich, dass wir uns hier als Elbe-Kliniken-Verbund nicht verstecken müssen", so Ristau. Für die Patientinnen und Patienten könne ein einheitliches Transparenzportal für einen noch besseren und schnelleren Überblick sorgen. "Die Kehrseite dieses Gesetzes ist, dass es noch mehr Bürokratie bringt. Unsere Ärzte und Pflegefachkräfte kämpfen in Zeiten des Fachkräftemangels ohnehin schon mit den stets zunehmenden bürokratischen Anforderungen", berichtet Ristau. Anstatt einer lange geforderten Bürokratie-Entlastung bedeute das Gesetz noch mehr bürokratischen Aufwand für Dokumentation und Datenlieferung. "Das bindet unsere Fachkräfte an der falschen Stelle. Die Patienten brauchen unsere Mitarbeitenden am Patientenbett, nicht am Computer im Stationszimmer.“

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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