Theatermacher im Interview
Lügenbaron oder Geschichtenerzähler in Buxtehude

Kaum Requisiten und trotzdem sieht man auf der Bühne genau, wie der Lügenbaron bei seiner Klettertour vom Mond plötzlich abstürzt | Foto: pau
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  • Kaum Requisiten und trotzdem sieht man auf der Bühne genau, wie der Lügenbaron bei seiner Klettertour vom Mond plötzlich abstürzt
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Fake News, Verschwörungstheorien, Lügen – in der heutigen Zeit verschwimmen oft die Grenzen zwischen Wahrheit und Täuschung.

Regisseur Gero Vierhuff und Schauspieler Christopher Weiß, unter anderem bekannt aus Produktionen am Hamburger Ohnsorg-Theater, greifen dieses Thema nun in Buxtehude auf. In ihrem neuen Kindertheaterstück im Kulturforum am Hafen steht einer der berühmtesten Geschichtenerzähler im Mittelpunkt: Baron von Münchhausen.

Für seine unglaublichen Abenteuer – von Klettertouren ins All bis zum Ritt auf der Kanonenkugel – ist der Lügenbaron seit Jahrhunderten bekannt. Doch wo endet die Fantasie, und wo beginnt die bewusste Lüge?

Im Gespräch mit dem WOCHENBLATT erklären Vierhuff und Weiß, warum das Thema Lüge und Wahrheit gerade für Kinder wichtig ist, welche Rolle die Fantasie dabei spielt und welche Fragen das Stück aufwirft.

WOCHENBLATT: Wie kamt ihr auf die Idee zu genau diesem Theaterstück?

Gero Vierhuff: Uns interessiert die Verbindung klassischer Geschichten mit der heutigen Zeit. Die Unterscheidung zwischen Lüge und Wahrheit wird zunehmend schwieriger, sei es durch Fake News oder künstliche Intelligenz. Man fragt sich immer öfter: Was ist echt, was nicht?

Auch in der Politik erleben wir, dass Lügen oft so gesetzt werden, dass sie kaum noch hinterfragt werden. In dem Moment, in dem eine Lüge einfach stehen bleibt, wird sie für viele zur Wahrheit. Diese Aspekte fanden wir spannend und wollten sie mit dem klassischen Stoff von Münchhausen verknüpfen.

Christopher Weiß: Besonders für Kinder ist das Thema interessant. Lügen gelten meist als moralisch falsch – aber ist das wirklich immer so? Was ist eigentlich eine Lüge? Wann lügen wir alle mal? Und kann es vielleicht sogar manchmal eine kreative Kraft sein, eine Form der Fantasie, die über die Realität hinausdenkt?

WOCHENBLATT: Wie ist es für euch, dieses so aktuelle Thema auf die Bühne zu bringen?

Gero Vierhuff: Als Theatermacher behaupten oder „lügen“ wir ja auf gewisse Weise immer – alles auf der Bühne ist eine Behauptung. Für uns ist das fast eine trotzige Haltung: Wir wollen uns vom aktuellen politischen Diskurs nicht unsere Fantasie nehmen lassen, denn genau darin liegt die Stärke des Theaters – zu erfinden, zu übertreiben, neue Welten zu erschaffen.

Schauspieler Christopher Weiß gibt auf der Bühne alles, um die Kinder von den aberwitzigen Geschichten des Lügenbarons zu überzeugen | Foto: pau
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WOCHENBLATT: Christopher Weiß, allein auf der Bühne – was gefällt dir daran?

Christopher Weiß: Es ist erst mein zweiter Monolog, nach Nils Holgersson am Ohnsorg-Theater. Bei unserem Stück ist das Set bewusst minimalistisch gehalten – mit wenigen Requisiten schaffen wir verschiedene Szenen, und vieles entsteht in den Köpfen des Publikums.

Diese Art des Theaters mag ich sehr, weil sie reduziert ist, aber gleichzeitig unglaublich viel Raum für Spielfreude und Ausdruckskraft bietet.

WOCHENBLATT: Wie nehmt ihr einen kontroversen Charakter wie den Lügenbaron in eurem Stück wahr? Könnt ihr nachvollziehen, warum er lügt?

Gero Vierhuff: Das war tatsächlich ein großes Diskussionsthema bei uns. Ehrlich gesagt, bleiben seine Motive für mich nicht eindeutig greifbar. Aber genau das finde ich spannend. Es spiegelt unsere heutige Zeit wider – manchmal versteht man gar nicht, warum Lügen so selbstverständlich verbreitet werden.

Christopher Weiß: Münchhausen erzählt absurde Geschichten und behauptet, sie seien wahr. Das erzeugt interessante Reibungspunkte, die Kinder sicher auch aus eigener Erfahrung kennen. Wer wollte nicht schon mal eine Geschichte ein bisschen ausschmücken, um andere zu beeindrucken?

Die Gesichter hinter dem "LÜGENBARON": Regisseur Gero Vierhuff (v.li.), Schauspieler Christoph Weiß, Dramaturgin Lisa Apel und Marcel Weinand (hi.), zuständig für Text, Bühne und Kostüme | Foto: pau
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WOCHENBLATT: Was möchtet ihr, dass die Kinder aus dem Theaterstück mitnehmen?

Gero Vierhuff: Ich fände es toll, wenn sie ein klareres Bewusstsein dafür entwickeln, dass Wahrheit und Lüge manchmal schwer zu unterscheiden sind. Vielleicht hilft unser Stück ihnen, die Welt sensibler und kritischer zu beobachten – auch ein bisschen skeptischer zu sein, wenn es nötig ist. Das wird für die kommenden Generationen immer wichtiger.

Christopher Weiß: Mir ist es wichtig, dass Kinder verstehen: Sie selbst entscheiden, wie sie mit Informationen umgehen. Sie können hinterfragen oder einfach glauben, was ihnen erzählt wird. Vielleicht entdecken sie durch unser Stück, dass es sogar Spaß macht, Dinge zu hinterfragen.

Der "LÜGENBARON" auf der Bühne
Der weltbekannte LÜGENBARON kommt am Samstag, 22. März, und Sonntag, 23. März, jeweils um 15 Uhr ins Kulturforum am Hafen, Hafenbrücke 1. Für Schulklassen gibt es zusätzliche Vorstellungen am Montag, 24. März, und Mittwoch, 26. März, um 8.30 Uhr und 10.30 Uhr. Zudem können die Künstler für Auftritte vor Gruppen und Schulklassen – auch außerhalb von Buxtehude – gebucht werden, auf Wunsch mit anschließendem Workshop oder Gespräch. Anfragen per E-Mail an christopherweiss2@gmx.de

Tickets für die Termine im Kulturforum kosten 8 Euro für Kinder bis zwölf Jahre, 12 Euro für Erwachsene und sind erhältlich per E-Mail unter tickets@kulturforum-hafen.de oder online unter kulturforum-hafen.de/tickets

Kaum Requisiten und trotzdem sieht man auf der Bühne genau, wie der Lügenbaron bei seiner Klettertour vom Mond plötzlich abstürzt | Foto: pau
Die Gesichter hinter dem "LÜGENBARON": Regisseur Gero Vierhuff (v.li.), Schauspieler Christoph Weiß, Dramaturgin Lisa Apel und Marcel Weinand (hi.), zuständig für Text, Bühne und Kostüme | Foto: pau
Selbst entscheiden und hinterfragen wollen, das können die Kinder aus dem Theaterstück mitnehmen | Foto: pau
Dramaturgin Lisa Apel (li.), Schauspieler Christoph Weiß und Regisseur Gero Vierhuff  | Foto: pau
Die Inszenierung lässt Raum für die Fantasie des Publikums | Foto: pau
Schauspieler Christopher Weiß gibt auf der Bühne alles, um die Kinder von den aberwitzigen Geschichten des Lügenbarons zu überzeugen | Foto: pau
Redakteur:

Pauline Bellmann aus Buxtehude

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