Deutliche Worte auch zum Thema Gleichstellung
Schauspielerin und Autorin Jutta Speidel im WOCHENBLATT-Interview

- Prominenter Gast in Salzhausen: Schauspielerin und Autorin Jutta Speidel mit ihrem Roman "Amaryllis" und der gleichnamigen Blume
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"Amaryllis" hat die beliebte Film-, TV- und Theaterschauspielerin Jutta Speidel (70) ihren neuen Roman über die Clownin Valerie genannt. Die Blume steht für die Wandlungsfähigkeit und Widerstandskraft der Protagonistin. Eigenschaften, die auch die Autorin ausmachen, die am jüngsten Weltfrauentag für eine Lesung nach Salzhausen (Landkreis Harburg) kam. Eingeladen hatte sie der Verein "Salzhausen e.V. - Kultur - Heimat - Leben" als Auftakt zu seinem 75-jährigen Jubiläum. Dort sprach WOCHENBLATT-Redakteur Christoph Ehlermann mit Jutta Speidel über deren künstlerisches Schaffen und soziales Engagement - und über eine unerwartete Begegnung mit Hollywood-Star Tom Hanks in Rom.
WOCHENBLATT: Frau Speidel, wie viel von Ihnen steckt in der Valerie in „Amaryllis“?
Jutta Speidel: Valerie und das ganze Buch sind fiktiv. Inspiriert hat es mich vor über zehn Jahren, als ich davon hörte, dass eine Frau nicht wirklich an die Weltspitze der Clownerie gelangen kann, weil es eine reine Männerdomäne ist. Es war ein Abenteuer, mich für den Roman in das Genre einzuarbeiten und über die Ausbildung und den Beruf von Clowns zu recherchieren.
WOCHENBLATT: In einem Interview, das Hubertus Meyer-Burckhardt in der NDR-Talkshow mit Ihnen führte, klang es, als ob Sie selbst gerne Clownin geworden wären.
Speidel: In jedem guten Schauspieler steckt sicher auch ein guter Clown. Gerade die Naivität, die ein Clown haben muss in seiner Ausdruckskraft, ist etwas, was insbesondere auch Theaterschauspieler gut brauchen für ihr Handwerk. Es ist generell schön, wenn ein Schauspieler nicht nur artistisch gut drauf ist, sondern auch eine gute Form von Humor besitzt, ohne dass es gleich Klamotte ist.
WOCHENBLATT: Ihren internationalen Durchbruch hatten Sie mit 25 Jahren in Rainer Erlers Film „Fleisch“ zum Thema Organhandel. Erfolgreich waren und sind Sie aber auch in Kult-Serien wie „Drei sind einer zuviel“, „Forsthaus Falkenau“ und „Um Himmels Willen“, die eher leichtere Kost waren. Spielen Sie lieber heitere oder lieber ernstere Stücke?
Speidel: Mich interessiert als Schauspielerin die jeweilige Figur - egal, ob es um einen heiteren oder ernsten Stoff geht. Alles in unserem Beruf ist, damit es leicht, selbstverständlich und authentisch aussieht, ganz viel Arbeit. Gerade in Deutschland wurde die Komödie oft in die Ecke von seichter Unterhaltung geschoben. Wirklich große Könner unter den Schauspielern, die es mal gab im Bereich der Boulevardkomödien, gibt es in meinen Augen heute nicht mehr.
WOCHENBLATT: In München, wo Sie leben, engagieren Sie sich im Verein „Horizont e.V.“ für obdachlose Kinder und deren Mütter. Sie schaffen Bildungsangebote, leisten Präventionsarbeit und bieten die Unterbringung in Schutzhäusern an. Dafür haben sie viele Auszeichnungen bekommen. Was bedeuten Ihnen diese?
Speidel: Ich habe hochkarätige Auszeichnungen für mein soziales Engagement insbesondere bei "Horizont e.V." bekommen. Bis dahin war es aber ein langer Weg, denn es bestanden viele Vorurteile, was denn einer Schauspielerin einfiele, sich in einem sozialen Bereich zu betätigen. Inzwischen sind diese Stimmen verstummt, weil wir eben sehr sinnvolle Arbeit machen. Es begann als kleiner Verein und ist heute ein großes Unternehmen mit über 50 Angestellten.
WOCHENBLATT: 2023 unterzeichneten Sie die Petition an die Bundesregierung „Manifest für den Frieden“ in der Hoffnung eines baldigen Endes des Ukraine-Krieges. Dieser dauert nach wie vor an. Fühlen Sie so etwas wie Ohnmacht?
Speidel: Ich fühle absolut eine Ohnmacht, aber ich glaube, das geht jedem so. Es ist dramatisch, dass alle Proteste und Demonstrationen gegen die Regime und auch gegen rechts kaum Wirkung zeigen. Darum scheren sich die Verantwortlichen überhaupt nicht.
WOCHENBLATT: Ihre Lesung in Salzhausen fand anlässlich des Weltfrauentages statt. Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Gleichberechtigung im Schauspielerberuf und in der Gesellschaft bestellt?
Speidel: Ich finde es tragisch, dass es nach wie vor keine Gleichstellung in ganz vielen Berufen gibt. Besonders schrecklich finde ich, dass sich viele junge Frauen heute wieder in diesen Konservatismus begeben. Vor rund 50 Jahren mussten Frauen ihren Ehemann noch fragen, ob sie einen Beruf ausüben oder den Führerschein machen dürfen. Heute gehen sie freiwillig wieder auf diese Position zurück.
WOCHENBLATT: In Ihrem Wikipedia-Eintrag ist unter Ihren Filmen „Illuminati“ mit Tom Hanks von 2009 aufgeführt. Dort steht, sie sind kurz zu sehen, weil Sie zufällig am Filmset in Rom vor dem Pantheon, einem antiken Kirchenbau, vorbeikamen.
Speidel (lacht): Das war wirklich ein Zufall! Ich war dort nichtsahnend auf dem Weg zum Einkaufen und wunderte mich über die Absperrung. Da ich ein unerschrockener Mensch bin, lief ich durch die Absperrung, als eine Mitarbeiterin des Filmteams plötzlich rief: „Sie sind eine Darstellerin? Dann bleiben Sie dort stehen!“ Ich tat es, und dann kam auch schon Tom Hanks die Straße entlang und bewies, was für ein toller Typ er ist.
WOCHENBLATT: Inwiefern?
Speidel: Es kam ein geschmücktes Hochzeitsauto angefahren. Darin saß eine Braut, die sich - nicht im Film, sondern wirklich - im Pantheon trauen lassen wollte, aber durch die Absperrung gestoppt wurde. Tom Hanks erkannte die besondere Situation, unterbrach die Dreharbeiten kurz und eskortierte die Frau höchstpersönlich zum Pantheon. Das war echt cool. Viele Jahre später habe ich ihn in Thomas Gottschalks Show „Wetten, dass …?“ getroffen und habe ihm erzählt, wie toll ich diese Geste fand. Er ist einfach ein zauberhafter Mann.
WOCHENBLATT: Frau Speidel, vielen Dank für das Gespräch.



Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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