Interview mit den Landräten aus Stade und Harburg
Das Land Niedersachen muss die Notlage der Kliniken erkennen
Mit der Verabschiedung von Resolutionen zur Krankenhausfinanzierung haben die Kreistage der Landkreise Harburg und Stade ein klares Signal nach Berlin und Hannover gesendet: So geht es nicht weiter. Es muss dringend gehandelt werden, damit die Kliniken nicht in absehbarer Zeit vor dem finanziellen Aus stehen. Doch was können die Resolutionen bewirken? WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann führte dazu ein Interview mit den beiden Landräten Rainer Rempe (Landkreis Harburg) und Kai Seefried (Landkreis Stade).
WOCHENBLATT:Die Kreistage haben jetzt die Krankenhaus-Resolution verabschiedet. Betrachten Sie diese Resolution eher als symbolischen Akt oder verbinden Sie damit tatsächlich konkrete Erwartungen?
Rainer Rempe: Anders als die Landkreise hat das Land noch die direkte Möglichkeit der Einflussnahme auf das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), indem es am 22. November in der Sitzung des Bundesrates den Vermittlungsausschuss anruft. Mit der einstimmig verabschiedeten Resolution des Kreistags verbinden wir die klare Forderung, dass das Land die Notlage der Kliniken landauf, landab anerkennt und uns entsprechend unterstützt. Dabei gehen wir davon aus, dass dies auch im Interesse des Landes liegt. Wenn nämlich keine finanzielle Entlastung der Träger erfolgt, sehen wir angesichts der desaströsen Finanzlage der Landkreise und kreisfreien Städte auch das Land in der Pflicht, sich am Defizitausgleich zu beteiligen. Es reicht ganz sicher nicht, uns damit zu vertrösten, dass man bei der Genehmigung der Haushalte „großzügig“, aber einseitig zu unseren Lasten, die Aufwendungen zur Stützung der Krankenhäuser außen vor lassen wird.
Kai Seefried: Bei unserer Resolution handelt es sich um ein starkes politisches Signal, mit dem ich natürlich auch konkrete Erwartungen verbinde. Der Stader Kreistag steht mit seinem Beschluss nicht alleine da. Ähnliche Beschlüsse werden derzeit in nahezu allen betroffenen niedersächsischen Landkreisen getroffen. Auch der Deutsche Landkreistag hatte sich die Initiative aus Niedersachsen zu eigen gemacht und bundesweit zu solchen Resolutionen aufgerufen. Der Druck vonseiten der Landkreise wird also weiter hochgehalten. Ich erwarte, dass es damit endlich ein Bewusstsein für die Dramatik bei der Landesregierung, aber auch der Bundesregierung eintritt und dass es damit auch zu entsprechenden Kostenausgleichen für die Kliniken kommt. Die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Elbe Kliniken darf nicht durch die Starrsinnigkeit des Bundesgesundheitsministers gefährdet werden.
WOCHENBLATT: Nun ist der Bundesrat am Zug. Sollte dieser den Vermittlungsausschuss anrufen, könnte sich angesichts der aktuellen bundespolitischen Lage das gesamte Reformpaket der Ex-Ampel erledigt haben. Wie stehen Sie dazu? Wäre das aus Ihrer Sicht gut?
Rainer Rempe: Lassen Sie mich zunächst klarstellen, dass auch ich eine Krankenhausstrukturreform grundsätzlich für notwendig und sinnvoll halte. Aber, unabhängig von den aktuellen politischen Entwicklungen in Berlin, befinden sich die Krankenhäuser bundesweit in einer dramatischen Situation. Die finanzielle Situation der Kliniken in Niedersachsen ist so angespannt wie nie zuvor und aufgrund der erheblichen Sach- und Tarifkostensteigerungen der vergangenen Jahre besteht akuter Handlungsbedarf. Auch unsere an sich wirtschaftlich gesunden kommunalen Krankenhäuser in Winsen und Buchholz befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Diese Schieflage haben die Häuser allerdings nicht selbst zu verantworten, die Situation ist durch äußere Einflüsse entstanden. Umso wichtiger ist eine Reform, die tatsächlich schnell eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser sicherstellt. Das ist bei diesem Gesetz trotz immer wieder gemachter anderslautender Versprechen des Bundesgesundheitsministers leider nicht erfolgt. Damit kommt der Bund seiner gesetzlichen Verpflichtung und Verantwortung zur auskömmlichen Finanzierung der Kliniken bisher nicht nach.
Kai Seefried: Die Lage hat sich seit dem Zusammenbruch der Bundesregierung verändert. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses kann jetzt in der Tat dazu führen, dass die gesamte Reform nicht in Kraft tritt, da es keine bestehende Bundesregierung mehr gibt, die mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses arbeiten kann. Aus diesem Grund die Reform aber einfach passieren zu lassen, halte ich für falsch. Damit würden viele Kliniken sehenden Auges in die Insolvenz getrieben werden, vor allem der ländliche Raum würde dann in Sachen Gesundheitsversorgung ausbluten. Dazu darf es nicht kommen! Ich appelliere hier an die Verantwortlichen in den Ländern und im Bund: Es muss versucht werden, über Verhandlungen etwas zu erreichen. Ich hoffe, dass alle in diesem Prozess beteiligten Stellen – vor allem in Hannover und in Berlin – sich auch ihrer Verantwortung bewusst sind.
WOCHENBLATT: In der Resolution wird ein Beitrag des Landes zur Kompensation des strukturellen Defizites der Kliniken gefordert. Glauben Sie ernsthaft daran, dass das Land finanzielle Hilfe gewährt?
Rainer Rempe: Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass das Land die Anliegen der Landkreise aufnimmt und uns unterstützt. Finanziell ist zunächst der Bund in der Pflicht. Wenn das KHVVG aber ohne Tarif- und Inflationsausgleich in Kraft tritt, erwarten wir, dass die Träger nicht alleingelassen werden, sondern eine angemessene Unterstützung des Landes erhalten.
Kai Seefried: Ehrlicherweise glaube ich in diesem Punkt nicht an eine kurzfristige Lösung. Gleichzeitig halte ich die Forderung aber für richtig. Die kommunalen Spitzenverbände fordern im Rahmen der Verhandlungen zum KHVVG bereits seit langer Zeit einen finanziellen Ausgleich, sind in Hannover zwar gehört worden, haben aber keine konkreten Handlungen ausgelöst. Das Land hat aus unserer Sicht die Interessen der Kliniken nicht ausreichend vertreten. Wir sehen das Land ausdrücklich in der Pflicht, die Kommunen als Träger zu unterstützen. Hier hilft uns kein Erlass, mit dem wir uns einfach weiter verschulden dürfen. Hier hilft nur echtes Geld. Das strukturelle Defizit muss endlich wirksam ausgeglichen werden.
WOCHENBLATT: Die Not der Kliniken ist groß und die Kassen der kommunalen Träger sind leer. Wie lange sind die Landkreise noch in der Lage, den kreiseigenen Krankenhäusern mit Millionenbeträgen unter die Arme zu greifen?
Rainer Rempe: Als Landkreis Harburg stehen wir uneingeschränkt zu unseren Krankenhäusern als wichtigen Teil der umfassenden und wohnortnahen medizinischen Versorgung und Teil der Daseinsvorsorge. Das hat auch der Kreistag immer wieder deutlich gemacht und hat entsprechende Defizitausgleiche beschlossen. Es ist aber definitiv nicht unsere Aufgabe, dauerhaft als Ausfallbürge die finanziellen Lasten zu übernehmen, für deren Ausgleich der Bund zuständig und verantwortlich ist. Der Bund muss daher umgehend seiner gesetzlichen Verantwortung zur auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser nachkommen. Denn die finanziellen Mittel des Landkreises sind begrenzt und der Ausgleich der Defizite des Krankenhauses bedeutet eine hohe Belastung unseres Kreishaushalts, der dadurch auch mittelfristig hohe Fehlbeträge aufweist. Die damit verbundene höhere Verschuldung schränkt die Handlungsfähigkeit des Landkreises und seiner Städte und Gemeinden deutlich ein, gerade mit Blick auf dringend notwendige Investitionen in unsere Infrastruktur, für die energetische Sanierung kreiseigener Gebäude wie Schulen, für die Kita-Finanzierung, den ÖPNV oder den Erhalt unserer Kreisstraßen.
Kai Seefried: Der Landkreis Stade steht zu seiner Verantwortung. Das hat der Kreistag mit seiner Resolution erneut unterstrichen. Ich bin den Kreistagsabgeordneten dankbar, dass sie trotz aller finanziellen Belastungen weiter fest zu unseren Elbe Kliniken in kommunaler Trägerschaft stehen. Die Grenzen der kommunalen Leistungsfähigkeit sind aber eben irgendwann erreicht. Durch den neuen Erlass des Innenministeriums, demzufolge die Landkreise die Kliniken finanzieren können und dafür auch über die bisherigen Grenzen hinaus neue Schulden machen dürfen, sind wir rechtlich gesehen zunächst auch in der Lage, diese Aufgabe weiterzuführen. Eine nachhaltige und langfristige Lösung ist dieser Trick der Kommunalaufsicht des Landes aber nicht. Es muss allen klar sein, dass die Schulden irgendwann auch noch jemand bezahlen muss. Nichtsdestotrotz bleibt es bei der klaren Botschaft: Wir stehen zu unseren Krankenhäusern.
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