LNG-Debakel in Stade geht weiter
Schwimmendes LNG-Terminal: Betreiber kündigt Verträge

- Die "Energos Force" im Stader Energiehafen. Das Schiff hat den Hafen Ende Januar verlassen
- Foto: Martin Elsen/nord-luftbilder.de
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Das schwimmende LNG-Terminal in Stade wird vorerst nicht in Betrieb gehen. Ob die Anlage jemals betriebsbereit sein wird, ist nach einem Jahr Verzögerung fraglicher denn je. Das für die Regasifizierung des flüssigen LNG erforderliche Spezialschiff "Energos Force" hat den Stader Hafen bereits vor Wochen verlassen. Und jetzt wird publik, dass es einen handfesten Streit um angeblich nicht erfüllte Verträge gibt.
Im März 2024 legte das Spezialschiff "Energos Force" im eigens dafür errichteten neuen Stader Energiehafen an, um als schwimmendes LNG-Terminal in Betrieb zu gehen. Doch seitdem ist nichts passiert. Termine für die Inbetriebnahme wurden immer verschoben. Zuletzt hieß, das Terminal soll im ersten Quartal dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen. Zum Jahrestag am 15. März war aber allen klar: Auch diese Frist wird wieder verstreichen, ohne dass auch nur ein Kubikmeter LNG über das schwimmende LNG-Terminal importiert wurde. Das WOCHENBLATT sprach in einem Online-Artikel bereits vom "Energos-Force-Fiasko" (mehr dazu lesen Sie hier) und kritisierte das beharrliche Schweigen der verantwortlichen Betreiber- und Vermarktungsgesellschaft Deutsche Energy Terminal GmbH (DET) zu dem Thema. Jetzt hat die DET ihr Schweigen gebrochen - wohl aufgrund des bundesweiten negativen Medienechos. Die DET benennt dabei einen angeblich Schuldigen für das Debakel. Derweil dümpelt die "Energos Force" weiter vor der dänischen Küste.
Verträge bereits im Januar gekündigt
Verantwortlich für die Verzögerungen soll laut DET das Hamburger Unternehmen Hanseatic Energy Hub (HEH) sein. Die Rede ist von einer "fortlaufenden Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten" seitens der HEH. Diese sollte sich um den Ausbau der notwendigen Anlagen an Land kümmern, damit das LNG nach seiner Regasifizierung ins Gasnetz eingespeist werden kann. Doch die Anlagen sollen laut DET nicht fertig sein. Daher habe das schwimmende LNG-Terminal keine Aussicht auf eine erfolgreiche Fertigstellung. Die Verträge mit der HEH habe man bereits im Januar gekündigt. "Dies war erforderlich, um einen unabsehbar anwachsenden finanziellen Schaden von der DET sowie ihrer Gesellschafterin, der Bundesrepublik Deutschland, abzuwenden", teilt DET-Sprecher Dirk Lindgens mit. Derzeit würden Gespräche zwischen beiden Unternehmen laufen.

- Aufnahme des Stader Hafens von Mitte Februar. Der neue Energiehafen (Vordergrund) ist verwaist. Die "Energos Force" ist nicht mehr vor Ort
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DET: Anlagen sind nicht betriebsbereit
Laut Mitteilung der DET soll die HEH nicht in der Lage gewesen sein, den erforderlichen Nachweis zu erbringen, dass die technischen Anlagen am Festland (die sogenannte Hafen-Suprastruktur, zu der u.a. Verladearme, Rohre und Gasleitungen gehören), fertiggestellt und betriebsbereit sind. Daher habe man die Anlage auch noch nicht abnehmen und mit dem Testbetrieb beginnen können, so Lindgens. Die HEH habe "auf mehrfache Nachfrage stets versichert", den Fertigstellungstermin zum 15. März 2024 einzuhalten. Dieser Termin sei dann verstrichen. "Zuletzt kündigte HEH eine Übergabe der Anlage für den 13. Dezember 2024 an und wurde von DET auch formell zur Einhaltung dieses Termins aufgefordert", erklärt Lindgens. Doch die HEH konnte laut Lindgens auch zu diesem Termin nicht nachweisen, dass die Anlagen betriebsbereit sind. Daher habe die DET eine Übernahme endgültig abgelehnt.
HEH weist Vorwürfe zurück
Bei der HEH sieht man die Sache anders. Eine Sprecherin weist die Vorwürfe zurück: "Die Suprastruktur in Stade ist fertiggestellt und wurde von den Genehmigungsbehörden abgenommen." Damit habe HEH ihre vertraglich vereinbarten Aufgaben zum Bau der Suprastruktur erfüllt. Für die Inbetriebnahme und den Betrieb der gesamten Anlage sei laut Vertrag die DET verantwortlich.
"HEH hat sich in den vergangenen Monaten weit über den eigentlichen Vertrag hinaus engagiert, um mit einem operativ erfahrenen Team eine Inbetriebnahme zu unterstützen", so die Sprecherin. Sie kritisiert, dass die HEH bis heute keinerlei Zahlungen für den fertiggestellten und von den Behörden abgenommen Bau der Suprastruktur erhalten habe. Die völlig unbegründete Kündigung seitens der DET habe man umgehend zurückgewiesen und stattdessen selbst den Vertrag gekündigt - aufgrund des massiven Vertrauensverlustes. Aktuell befinde man sich in Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der DET, damit diese die Inbetriebnahme doch noch wie geplant eigenständig durchführen kann.
Gewerbeaufsichtsamt: Unterlagen fehlen
Die Einschätzung seitens der HEH wird von behördlicher Seite bestätigt: „Einer Inbetriebnahme des schwimmenden LNG-Terminals steht aus genehmigungsrechtlicher Sicht nichts mehr entgegen“, erklärt die Leiterin des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes (GAA) Cuxhaven, Evelin Wadephul. Bevor der Regelbetrieb aufgenommen werde, müsse aber noch eine sogenannte Anlagenrevision vorgenommen werden. Eine erste Revision erfolgte bereits Ende März 2024, nachdem die HEH die Hafen-Suprainfrastruktur fertiggestellt hatte. Laut Wadephul ging die immionsschutzrechtliche Genehmigung dann auf den Betreiber DET über.
Behörde sieht DET in der Pflicht
Die Behördenchefin weist aber darauf hin, dass für eine endgültige Prüfung vor der Inbetriebnahme noch nicht „alle notwendigen Unterlagen“ vorliegen. Dabei handelt es sich u.a. um die Dokumentation der sicherheitstechnischen Prüfung. Diese Dokumente hatte Wadephul bereits bei ihrem Vor-Ort-Termin im März 2024 angefordert. Sie wurden aber bis heute nicht eingereicht. „Ich sehe hier die DET als Anlagenbetreiber ganz klar in der Pflicht“, erklärt Wadephul. Sie zeigt sich verwundert, dass die DET es bisher versäumt hat, die erforderlichen Unterlagen einzureichen: „Man hatte es vorher ganz eilig mit der Inbetriebnahme des schwimmenden LNG-Terminals und jetzt zieht sich alles so lang hin, ohne ersichtlichen Grund.“ Dabei habe das Gewerbeaufsichtsamt alles dafür getan, dass das Genehmigungsverfahren zügig über die Bühne gehe.
Landrat: Verhalten der DET kritisch hinterfragen
Auch der Stader Landrat Kai Seefried (CDU) betont, dass nach seinen Informationen einer Inbetriebnahme der Anlagen genehmigungsrechtlich nichts mehr im Wege stehe. "Ich bedaure die Eskalation zwischen DET und HEH. Aus meiner Sicht gilt es, das Handeln der DET insgesamt sehr kritisch zu hinterfragen", erklärt Seefried. Vor Ort sei ein massiver Vertrauensverlust entstanden. "Nicht wenige fragen sich, ob die bundeseigene Gesellschaft DET den Standort Stade überhaupt jemals ernsthaft betreiben wollte." Er ist fest davon überzeugt, dass in Stade das nötige Know-how für den Betrieb des schwimmenden LNG-Terminals vorhanden sei, so der Landrat. "Wir wollen und können im Landkreis Stade unseren Beitrag zur Versorgungssicherheit und Stabilisierung der Gaspreise in Deutschland und Europa leisten!"

- Das landseitige LNG-Terminal der Hanseativ Energy Hub (HEH) befindet sich bereits in Bau
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HEH baut landseitiges Terminal
Die HEH ist in Stade kein Unbekannter. Das Unternehmen will im Industriegebiet Stade-Bützfleth ein Milliardenprojekt realisieren. Dort soll ein landseitiges LNG-Terminal entstehen. Nach mehrjährigen Planungen fiel - ebenfalls im März 2024 - die endgültige Investitionsentscheidung. Im Juli 2024 erfolgte auf dem Gelände neben den Anlagen des Chemiekonzerns Dow der erste Spatenstich. Sichtbares Zeichen der Baumaßnahme sind die Kräne auf dem Areal. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2027 vorgesehen. Die HEH ist ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen. Gesellschafter sind die Partners Group, Enagás, Dow sowie die Buss Gruppe. Die HEH plant, ihr LNG-Terminal später für umweltfreundliche Gase wie ‚grünen‘ Wasserstoff umzurüsten. Die Genehmigung, über das Terminal LNG zu importieren, läuft allerdings bis 2043.



Redakteur:Jörg Dammann aus Stade |
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