"Steuererhöhungen wären eher kontraproduktiv"
Finanzdezernent Dirk Hirsch zur finanziellen Lage der Stadt Buchholz

Seit 2015 bei der Stadt Buchholz: Finanzdezernent Dirk Hirsch  | Foto: Helms
  • Seit 2015 bei der Stadt Buchholz: Finanzdezernent Dirk Hirsch
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os. Buchholz. Die finanzielle Lage in Buchholz ist sehr angespannt, geplante Investitionen können derzeit nur über Kredite finanziert werden. Im Interview mit WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Oliver Sander schätzt Finanzdezernent Dirk Hirsch die aktuelle Situation ein und wagt einen Blick in die (finanzielle) Zukunft.
WOCHENBLATT:
Der Haushalt ist für die kommenden Jahre nicht ausgeglichen. Wie bewerten Sie die finanzielle Lage der Stadt Buchholz?
Dirk Hirsch: Richtig ist, dass die laufenden Erträge im Doppelhaushalt 2021/22 nicht die geplanten Aufwendungen decken und wir deshalb in den kommenden Jahren Jahresfehlbeträge im laufenden Haushalt zu verzeichnen haben. Für die folgenden Jahre erwarten wir jedoch eine schrittweise Erholung sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Einkommenssteuer, unseren wichtigsten Steuereinnahmequellen. Zusammen mit den bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung bin ich zuversichtlich, dass wir mittelfristig mit weiterhin deutlichen Anstrengungen und Ausgabendisziplin wieder einen ausgeglichenen Haushalt erreichen können.
WOCHENBLATT: Die Investitionen sind schon jetzt nur über neue Kredite zu finanzieren. Kann sich Buchholz auf absehbare Zeit überhaupt große Projekte leisten?
Hirsch: Ja, das wird aus meiner Sicht möglich sein. Wie Sie richtig beschreiben, ist die Finanzierung der Investitionen derzeit und auch in den nächsten Jahren nur durch Zuschüsse und durch Kreditaufnahmen möglich. Genau hier liegt auch die Herausforderung für den städtischen Haushalt, da dieser die Belastung durch diese Kredite tragen muss. Dieser Aspekt erscheint mir noch deutlich wichtiger zu sein als das schnelle Erreichen eines Haushaltsausgleiches. Es liegt in der Natur der Sache, dass aufgrund der konjunkturellen Schwankungen auch die Steuereinnahmen teils deutlichen Veränderungen unterliegen und dass es neben sehr guten Jahren, wie beispielsweise von 2015 bis 2019, auch Jahre mit niedrigeren Einnahmen geben wird. Bei den Investitionen gilt, dass die Finanzierung langfristig sichergestellt werden muss, die Stadt also in der Lage ist, die Zins- und Tilgungsleistungen für die aufgenommenen Investitionskredite zu begleichen. Hierauf muss auch in Zukunft ein Hauptaugenmerk liegen.
WOCHENBLATT: Ist die Finanzierung denn sichergestellt?
Hirsch: Die vorgelegte mittelfristige Finanzplanung zeigt, dass wir hierzu bei konsequenter Befolgung der Konsolidierungsstrategie in der Lage sein werden und wir damit auch den Spielraum für weitere wichtige Investitionen in unsere Infrastruktur haben werden. Vor diesem Hintergrund haben wir im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2021/2022 und des Haushaltssicherungskonzeptes auch viel Wert darauf gelegt, dass es eine Prioritätenliste bei den Investitionen geben muss. Die Maßnahmen mit der höchsten Priorität, z.B. der Ausbau der Schulen und Kindergärten, der Feuerwehren, aber auch wichtige Investitionen in die Straßen- und Abwasserinfrastruktur, gehören dazu. Diese Maßnahmen sind aus meiner Sicht nicht nur Pflichtaufgabe der Stadt, sondern auch für die weitere positive Entwicklung der Stadt zwingend erforderlich.
WOCHENBLATT: Was bedeutet das für geplante Großprojekte wie "Buchholz 2025plus" oder den "Stadtumbau West"?
Hirsch: Aus meiner Sicht ist es klar, dass wir aufgrund der geschilderten Rahmenbedingungen nicht mehrere Großprojekte in den kommenden Jahren gleichzeitig umsetzen können. Auch hier muss eine Priorisierung stattfinden und ein entsprechender politischer Diskurs erfolgen. Die Realisierung einer östlichen Umfahrung und die gleichzeitige Umsetzung des Projektes „Stadtumbau West“ mit der Südtangente und einem neuen Parkhaus halte ich beispielsweise zum jetzigen Zeitpunkt aus finanzieller Sicht für nicht machbar.
WOCHENBLATT: Sie sprachen in den Debatten in den Fachausschüssen das strukturelle Problem im Haushalt an. Welchen Anteil haben die Stadtverwaltung und die Lokalpolitik daran, welchen Anteil Dritte wie Bund und Land?
Hirsch: Die beschriebenen strukturellen Probleme des Haushalts basieren meiner Ansicht nach zum überwiegenden Teil auf Entscheidungen von Bund und Land und der Rolle der Kommunen, die diese Entscheidungen auf örtlicher Ebene umzusetzen haben. Dabei wird, wie in fast allen Fällen, keine angemessene finanzielle Kompensation für diese Aufgaben geleistet. Der Bereich der Kinderbetreuung ist hier das Paradebeispiel, hier sind über 50 Prozent der anfallenden Kosten aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren, jährlich über zehn Millionen Euro, Tendenz steigend. Auch im Bereich der Schulen zeichnen sich ähnliche Entwicklungen ab, wenn ab dem Jahr 2025 der Rechtsanspruch auf eine Ganztagesbetreuung für Grundschülerinnen und Grundschüler eingeführt wird. Die hierfür anfallenden Kosten werden vermutlich ebenfalls nur zum Teil durch Bund und Land getragen.
WOCHENBLATT: Sie haben ein Haushaltskonsolidierungskonzept auf den Weg gebracht. Darin setzen Sie auf Punkte wie eine geringere Kreisumlage oder eine höhere Beteiligung an den Kosten für die Kinderbetreuung durch das Land. Also Dinge, die nicht in der Hand der Stadt Buchholz liegen. Wie realistisch ist es, dass die Stadt Buchholz dort Unterstützung und Entlastung für die angeschlagenen Finanzen erhält?
Hirsch: Ich bin sehr optimistisch, dass wir hier zu einer Verbesserung der Situation kommen werden. Bereits im vergangenen Jahr wurden intensive Gespräche mit dem Landkreis Harburg im Hinblick auf die Finanzierung der Kinderbetreuungskosten aufgenommen. Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr hierzu eine Neuregelung erfolgt und wir eine deutlich bessere Kostenbeteiligung an den rd. zehn Millionen Euro Kita-Kosten durch den Landkreis Harburg erhalten. Vieles hängt hier natürlich auch von der Entwicklung der Kreisfinanzen ab.

Neubauplanung für Buchholzer Eisenbahnbrücke

WOCHENBLATT: Kann sich Buchholz aus der prekären Finanzsituation allein befreien? Was müsste dafür geschehen? Kann man z. B. dauerhaft Steuererhöhungen ausschließen?
Hirsch: Wie bereits erwähnt, wird das strukturelle Problem hauptsächlich von Bund und Land verursacht. Insoweit ist es schwierig, sich aus dieser Situation allein zu befreien. Es kann auch nicht Sinn und Zweck sein, dass die finanziellen Lasten auf die örtliche Ebene verschoben und die Bürgerinnen und Bürger dies durch steigende örtliche Steuern und Abgaben zu tragen haben. Andere Bundesländer, wie z.B. Schleswig-Holstein, zeigen, dass es möglich ist, für Aufgaben wie beispielsweise die Kinderbetreuung bessere finanzielle Rahmenbedingungen für die Kommunen zu schaffen.
WOCHENBLATT: Was bedeutet das für Buchholz?
Hirsch: Wir setzen auf eine Verbesserung der Einnahmesituation, insbesondere durch den Technologie- und Innovationspark sowie auch die weiterhin positive Einwohnerentwicklung der Stadt. Steuererhöhungen kann sicherlich niemand von vornherein ausschließen, jedoch spielen diese für uns derzeit und auch in den Überlegungen zur Haushaltskonsolidierung keine Rolle. Sie wären mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage eher kontraproduktiv.
WOCHENBLATT: Herr Hirsch, vielen Dank für das Gespräch.

Angespannte Haushaltlage

Buchholz hat ein Haushaltsproblem: Im laufenden Jahr stehen Ausgaben von etwa 81,09 Millionen Euro Einnahmen von lediglich ca. 78,03 Millionen Euro entgegen. Im Jahr 2022 liegt das Minus bei etwa 773.000 Euro. Der Schuldenstand könnte von derzeit rund 43 Millionen Euro auf 64,45 Millionen Euro im Jahr 2025 ansteigen.

"Buchholz 2025plus" unter "sozial-ökologischen" Gesichtspunkten entwickeln
Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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