Senioren-Unfälle in den Kreisen Harburg und Stade
Gas und Bremse verwechselt: Wie kommt es dazu?
Der betagte Autofahrer (83) wollte eigentlich nur vom Parkplatz der Sparkasse in Steinkirchen auf die Straße fahren. Am Ende des Manövers landete sein VW an der Wand des Dorfgemeinschaftshauses. Der Senior wurde bei dem Unfall schwer verletzt. "Gas und Bremse verwechselt", steht in der Pressemeldung der Polizei über diesen Unfall. Zu diesen "Verwechslungen" bei älteren Autofahrern kommt es immer wieder. Was sind die Gründe? Der energische Tritt auf die Bremse ist doch ein über Jahre erlernter Automatismus.
Bei vielen dieser Unfälle, so auch jetzt in Steinkirchen, beschleunigen die Unfallfahrer immer weiter, sodass ihre Fahrzeuge irgendwann mit Wucht gegen andere Autos oder Mauern prallen. Was auch bedeutet, dass die Betroffenen nicht vom Gas gehen. Ist das eine grundsätzliche Überforderung?
Wer bei Verkehrspsychologen direkt nachfragt, bekommt meist als Antwort: Gas und Bremse verwechseln, komme recht häufig vor. Warum das so ist? Eine genaue Erklärung für das Phänomen, nicht vom Gas zu gehen, gebe es nicht.
Mit der Situation überfordert
Siegfried Häußler von der Verkehrswacht Buxtehude beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Fahren im Alter. Er geht davon aus, dass es sich um "Augenblicksentscheidungen" handele, die in ihrer Konsequenz leider falsch seien. "Diese Fahrer sind offenbar mit der Gesamtsituation überfordert", vermutet er.
Natürlich sei es ein Automatismus, in einer Gefahrensituation vom Gas zu gehen und das Bremspedal voll durchzutreten. Ältere Autofahrerinnen und Autofahrer, vermutet Siegfried Häußler, sehen die Situation, doch der Impuls fürs Ausführen einer Vollbremsung komme nicht an.
Erschwerend könne vielleicht noch hinzukommen, dass einige der Verursacher dieser Unfälle bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe den falschen Gang gewählt haben. Sie wollen vorwärts fahren, haben aber den Rückwärtsgang angewählt - und umgekehrt.
Malina Heller von der Fahrschule FahrWerk in Buchholz nennt als eine mögliche Ursache die altersbedingte Verlangsamung von kognitiven Prozessen. "Ältere Fahrer benötigen in der Regel mehr Zeit, um Entscheidungen zu treffen und Reaktionen zu koordinieren, was zu einer langsameren Verarbeitung von Informationen führt. Dies kann dazu führen, dass sie in einer Stresssituation falsche Entscheidungen treffen oder zu spät reagieren."
Altersbedingte Krankheiten
Eine weitere mögliche Ursache für das Verwechseln von Gas und Bremse bei Senioren sei die altersbedingte Abnahme der Muskelkraft und des Gleichgewichtssinns. Die Muskeln und Gelenke werden schwächer und steifer, was zu einer verminderten Kontrolle über das Gas- und Bremspedal führen könne. Auch altersbedingte Krankheiten wie Arthritis oder Parkinson kämen als Gründe infrage, dass ältere Fahrer das Gas- und Bremspedal nicht mehr so präzise bedienen können wie in jüngeren Jahren.
Insgesamt gibt es viele Faktoren, die das Verwechseln von Gas und Bremse bei Senioren im Straßenverkehr begünstigen können.
Siegfried Häußler empfiehlt grundsätzlich älteren Autofahrern und Autofahrerinnen, die Kurse für Senioren der Verkehrswacht Buxtehude und Stade. Neben dem Fahrsicherheitstraining, zu dem auch Bremsmanöver gehören, steht eine halbstündige Tour mit einem Fahrlehrer auf dem Stundenplan. "Das verschafft den Teilnehmern ein gutes Bild über ihre Fähigkeiten hinterm Steuer."
Malina Heller sagt dazu: "Es ist wichtig, dass Fahrlehrer ältere Fahrer auf die möglichen Auswirkungen des Alterns auf ihre Fahrfähigkeiten aufmerksam machen und ihnen dabei helfen, ihre Fahrweise anzupassen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Dazu gehören auch regelmäßige Gesundheitschecks, um altersbedingte Erkrankungen oder Medikamentenwirkungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln."
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