Gericht ließ ihn vor Haftantritt frei: Hat ein verurteilter Gewalttäter den HSV-Investor getötet?
tk. Stade. Hat ein verurteilter Räuber und Gewalttäter noch vor seinem Haftantritt ein weiteres schweres Verbrechen begangen, bei dem ein Mensch starb? Mahmoud W. (25) aus Stade steht im Verdacht, am Raubmord an dem Unternehmer und bekannten HSV-Investor Ernst B. in Stade-Bützfleth beteiligt gewesen zu sein. Das besonders Tragische an diesem Fall: W. wurde drei Wochen zuvor vom Landgericht Stade zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Der Haftbefehl wurde jedoch aufgehoben.
Rückblick: Mahmoud W. wurde am Mittwoch, 17. August, vom Landgericht Stade wegen Raubes und schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt. Seit Januar saß er ununterbrochen in Untersuchungshaft. Noch am Tag der Urteilsverkündung hob das Gericht den Haftbefehl auf. Bis zum vorhersehbaren Antritt seiner Strafe wenige Woche später war W. damit ein freier Mann. Drei Wochen später, am Freitag, 9. September, wurde Ernst B. (79) in seinem Haus in Bützfleth überfallen. Zwei Täter misshandelten ihn derart brutal, dass der Senior wenig später starb. Im Visier der Ermittlungsbehörden für den Bützflether Raubmord: Mahmoud W. Der ist verschwunden.
Über den Fortgang der Ermittlungen zu diesem brutalen Verbrechen ist wenig bekannt. Mehr als 200 Hinweise verfolgt die Polizei, eine heiße Spur sei noch nicht darunter, so die offiziellen Erklärungen der Polizei. Jetzt hat das WOCHENBLATT erfahren: Drei Männer werden als mutmaßliche Täter verdächtigt. Neben dem rechtskräftig verurteilten W. zwei weitere namentlich bekannte Männer. Außerdem soll ein Enkel des Getöteten im Visier der Ermittler sein: Er soll den Tätern den Hinweis gegeben haben, dass bei seinen Großeltern etwas zu holen sei. Die Täter hatten nach Polizeiangaben mehrere Tausend Euro sowie Schmuck erbeutet. Nach bislang unbestätigten Hinweisen sollen sich Mahmoud W. und der Enkel gekannt haben. Außer B.s Enkel sollen die drei Verdächtigen auf der Flucht sein. Um Beweismittel gegen Mahmoud W. zu sammeln, fand zudem am Dienstag eine Durchsuchung in Stade bei seiner Familie statt, dem letzten bekannten Wohnort W.s.
Die Ermittlungsbehörden halten sich mit Erklärungen derzeit noch zurück. Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade, bestätigt aber, dass diese vier Männer als tatverdächtig gelten.
Spekulation, aber angesichts der bekannten Fakten nicht von der Hand zu weisen: Wollte sich W. mit dem Raubüberfall Geld beschaffen, um seine Flucht zu finanzieren? Neben der Haftstrafe hatte das Gericht dem 25-Jährigen wegen seiner Drogensucht auch eine Therapie in einer Entziehungsanstalt auferlegt.
Was die Ermittler derzeit befürchten: Es besteht der begründete Verdacht, dass sich Mahmoud W., deutscher Staatsbürger mit libanesischen Wurzeln, in den Libanon abgesetzt haben könnte. Damit wäre er fürs Erste dem Zugriff der deutschen Justiz entzogen. Laut Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas gebe es kein Auslieferungsabkommen mit dem Land im Nahen Osten. W. wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Schon deshalb, weil er seine Haft nicht antrat.
Was diesen Fall so brisant macht: Die Tatsache, dass der Haftbefehl nach der Urteilsverkündung aufgehoben wurde. Der wegen Raubes und Körperverletzung verurteilte Mahmoud W. musste nicht einmal Meldeauflagen erfüllen. Offenbar wollte ihm das Gericht damit einen Vorteil für die spätere Strafverbüßung ermöglichen. Hintergrund: Wer seine Haftstrafe freiwillig antritt, kann einfacher Vergünstigungen, wie etwa Ausgang, bekommen. Wäre W. nahtlos von der Untersuchungs- in die Strafhaft gekommen, hätte er diese Vorteile nicht erlangen können. Aber vielleicht - das ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar Spekulation - wäre Ernst B. noch am Leben. Sollte sich der Verdacht der Ermittler bestätigen, wäre die Aufhebung des Haftbefehls eine fatale Entscheidung gewesen.
Warum das Landgericht Stade den Haftbefehl aufhob und Mahmoud W. auf freien Fuß kam, lesen Sie hier
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