Ein Fall, drei Gerichtstermine in Buxtehude
Viel Aufwand für wenig Cannabis
Die junge Frau landete vor dem Strafrichter am Amtsgericht Buxtehude, weil sie einem Strafbefehl über 1.800 Euro widersprochen hatte. Es ging um ein paar Gramm Cannabis und vier Pflanzen, von denen drei noch weit von der Ernte entfernt waren. "Einstellen", forderte ihr Strafverteidiger Lars Zimmermann. Daraus wird nichts. Es sind zwei Fortsetzungstermine anberaumt. Der Grund: Die Aussagen der Angeklagten und die ihres Ex-Freunds konnten widersprüchlicher kaum sein.
Sie habe mit den Drogen und den Pflanzen rein gar nichts zu tun gehabt, ließ die Frau über ihren Anwalt erklären. Sie habe ihren Freund immer wieder aufgefordert, damit aufzuhören. Ihr Ex-Lebensgefährte, der seinen Strafbefehl akzeptiert hatte, sagte als Zeuge vor Gericht aus. Demnach habe er den Konsum einschränken wollen und seine Ex habe "deswegen Stress gemacht". Nach der Durchsuchung habe der Zeitsoldat der Bundeswehr sich in ein Bundeswehrkrankenhaus einliefern lassen. "Die Bundeswehr hat mir noch eine Chance gegeben", sagte er.
Was juristisch keine Rolle spielte, aber dem Verfahren eine gewisse Brisanz verleiht: Die Drogen waren ein Zufallsfund. Die Polizei war mit einem Durchsuchungsbefehl in Harsefeld angerückt, weil der Zeuge Kinderpornos besessen haben soll. Laut Aussagen einer Polizistin, die wegen der Drogen an der Durchsuchung beteiligt war, soll kinderpornografisches Material gefunden worden sein. Ein Verfahren hat es deswegen aber noch nicht gegeben.
Strafverteidiger Lars Zimmermann nannte die Aussagen des Ex-Freundes "eine Räuberpistole". Er bezweifelte sogar, dass der Zeuge noch Soldat sei. Aus ähnlichen Fällen wisse er, dass die Unschuldsvermutung bei der Truppe keine so große Rolle spiele und der Vorwurf Drogen und Kinderpornografie schwerwiege. Zudem habe er von seiner Mandantin erfahren, dass der Zeuge schon ein Jahr vor der Durchsuchung wegen psychischer Probleme dienstunfähig zu Hause gewesen sei.
Die Referendarin von der Staatsanwaltschaft hielt die Aussagen des Mannes für grundsätzlich plausibel. Eine Einstellung des Verfahrens war damit vom Tisch. Jetzt muss Strafrichter Aping bei der Bundeswehr recherchieren und der Zeuge soll erneut aussagen. Es geht weiter.
Es gibt genug (andere) Arbeit
Der Besitz von Drogen ist strafbar. Dazu gehören auch Minimengen an Cannabis und Pflanzen für den eigenen Gebrauch. Dennoch ist es bemerkenswert, dass wegen ein paar Gramm und vier Pflänzchen noch dermaßen viel Aufhebens betrieben wird. Im Herbst soll ein Referentenentwurf für ein Gesetz vorliegen, das Cannabis legalisiert. Klar - selbst anbauen wird auch danach noch strafbar sein. Die Kriminalisierung der Kiffer solle mit der Reform aber wegfallen und der illegale und natürlich gewinnbringende Handel trockengelegt werden. Voraussichtlich im Herbst 2023 könnte das Gesetz im Bundestag verabschiedet werden.
Eine Expertenrunde, die sich mit der Cannabis-Freigabe beschäftigt hat, kam jüngst zu der Einschätzung, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen gegen Geringkonsumierer einstellen könnten, denn es sei bekannt, wohin die Reise juristisch gehen werde. Bevor aber ein neues Gesetz greift, werden in Buxtehude und anderswo noch viele Angeklagte vor Gericht landen. Die Kapazitäten überlasteter deutscher Gerichte ließen sich zweifelsfrei effektiver nutzen als mit drei Terminen wegen ein paar Gramm Cannabis.
Tom Kreib
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