Er hat die Lizenz zum Suchen
(jd). Auf der Suche nach stummen Zeugen der Vergangenheit: Andre Jeske ist Sondengänger.
Wenn Andre Jeske sein Hobby nennt, wird er nicht selten skeptisch beäugt. Der Buxtehuder geht einer Freizeitbeschäftigung nach, die ein eher schlechtes Image hat. Er ist regelmäßig mit einer Metall-Sonde unterwegs, um historische Relikte im Boden aufzuspüren. Seine Zunft sorgt immer wieder für Negativ-Schlagzeilen - wie beim "Barbarenschatz": Ein Sondengänger hatte einen spätantiken Goldfund im Wert von einer Millionen Euro unterschlagen. Doch Jeske distanziert sich von solchen Raubgräbern. Er hat die offizielle Lizenz zum "Sondeln".
Mit langsamen Schritten bewegt sich Jeske über das Feld, vor sich schwenkt er einen Stab, an dessen unterem Ende ein rundes, tellergroßes Gebilde angebracht ist: Dieser Metalldetektor entdeckt auch kleinste Bruchstücke von Eisen oder Buntmetallen. Plötzlich ertönt ein dröhnendes Piepen. Was andere als Nervton empfinden, ist wie Musik in Jeskes Ohren: Das Geräusch zeigt an, dass das Gerät auf einen Gegenstand gestoßen ist. Jeske legt die Sonde zur Seite. Dann pult er eine kleine Spielzeugfigur aus dem Erdreich. "Die hat wahrscheinlich vor hundert Jahren ein Bauernkind verloren", mutmaßt der Sondengänger.
Die kleine Bleifigur ist die typische Ausbeute einer Sonden-Tour. Jeskes Fund sind selten spektakulär. Einmal wurde er bislang groß in der Zeitung erwähnt - allerdings hatte er kein antikes Goldstück gefunden, sondern eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg. Deren Zünder war noch intakt. Der Kampfmittel-Räumdienst rückte an, um den brisanten Fund mit einer gezielten Sprengung unschädlich zu machen.
Auf Relikte des Krieges stößt Jeske immer wieder in der Feldmark: Gewehrkugeln, Koppelschlösser und sogar Orden - vor seiner Gefangennahme trennte sich wohl so mancher Soldat von den Insignien des NS-Staates. Doch das meiste, was Jeske entdeckt, sind eher banale Alltags-Gegenstände aus den vergangenen zwei Jahrhunderten. So finden sich in seiner Sammlung haufenweise Knöpfe, die einst Bauernwesten zierten. Der Buxtehuder ist aber schon auf wesentlich ältere Relikte gestoßen - wie eine Gewandfibel oder ein Beil. Beides datierten die Archäologen in die jüngere Bronzezeit (ca. 1000 - 800 vor Christus).
Die enge Zusammenarbeit mit den Fachleuten ist überhaupt Voraussetzung für Jeskes Exkursionen. "Herr Jeske ist einer von zwei Sondengängern, die über eine Genehmigung des Landkreises verfügen", sagt Kreisarchäologe Daniel Nösler. Eine solche "Lizenz zum Suchen" sei laut Denkmalschutzgesetz zwingend erforderlich, wenn man mit einer Sonde durch Feld und Flur streifen wolle. Wer illegal losziehe, müsse mit einem empfindlich hohen Bußgeld rechnen.
Jeske ist stolz darauf, dass sein Hobby behördlich abgesegnet ist. Ihm macht es einen Riesenspaß, im amtlichen Auftrag das Gelände abzusuchen: "Manchmal halte ich mich ganze Wochenenden draußen auf." Als Schatzsucher sieht er sich nicht. "Das meiste, was ich finde, hat nur einen geringen materiellen Wert. Ich bin gern an der frischen Luft und dafür ist mein Hobby ideal."
Nicht tiefer als 30 Zentimeter
Wer sich mit "technischen Hilfsmitteln" wie Sonden auf die Suche nach Bodenfunden begibt, muss laut Gesetz eine amtliche Genehmigung beantragen. Voraussetzung dafür sei eine theoretische Schulung beim Landesamt für Denkmalpflege, so Kreisarchäologe Daniel Nösler: "Anschließend geht es zur praktischen Übung ins Gelände." Allerdings sind registrierte Bodendenkmale für die Hobby-Sucher tabu - ebenso wie Wälder. "Dort ist die obere Schicht seit Jahrhunderten unberührt. Da dürfen nur wir Archäologen ran", so Nösler. Auf Äckern hingegen dürfen zertifizierte Sondengänger bis zu 30 Zentimeter tief suchen. "Da sind mögliche Funde durch das Pflügen ohnehin durcheinandergewirbelt", erläutert der Experte.
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