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Umstrittene Klinikreform auch im Bundesrat bestätigt - ländliche Kliniken nun in Sorge

Keine Wuchermiete
Samtgemeinde Apensen weist Abzock-Vorwürfe zurück

Edgar Rot und (li. neben ihm) Svetlana Ron im Gespräch mit den beiden Ukrainerinnen
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  • Edgar Rot und (li. neben ihm) Svetlana Ron im Gespräch mit den beiden Ukrainerinnen
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Die Gebühren für Obdachlosenunterkünfte in der Samtgemeinde Apensen seien weder Wucher noch Abzocke, widerspricht Edgar Rot, Rathaus-Vizechef und Ordnungsamtsleiter, dem Flüchtlingsrat. Dieser hatte kürzlich öffentlich erklärt, dass die Gebühren, die die Samtgemeinde Apensen von zwei junge Ukrainerinnen forderten, viel zu hoch und sittenwidrig seien.

632 Euro für 20 Quadratmeter

Hintergrund: Tetiana Zheynska (23) und Maryna Lazarets (21) wurden im Juli 2022 von der Samtgemeinde Apensen informiert, dass sie für ihre gemeinsame etwa 20 Quadratmeter große Obdachlosenunterkunft 511 Euro pro Person zu zahlen hätten. Diese Summe wurde jedoch mittlerweile rückwirkend auf 316 Euro korrigiert. Gezahlt haben die beiden Ukrainerinnen auch diese Summe nicht. Sie würden hoffen, dass die Gebühr im Rahmen der aktuellen Satzungsüberarbeitung noch einmal reduziert werde, erklärte Rot gegenüber dem WOCHENBLATT. Das hält er aufgrund der allgemein steigenden Kosten jedoch für unwahrscheinlich. Rot kritisiert, dass der Flüchtlingsrat sich nicht an die Samtgemeinde Apensen gewendet hat. 

Ukrainerinnen wollten Geld nach Hause schicken

In Beisein des WOCHENBLATT, das die hohe Gebührenforderung im vergangenen Jahr erstmals öffentlich gemacht hatte, trafen sich Edgar Rot und Rathaus-Mitarbeiterin Svetlana Ron mit den beiden Ukrainerinnen jetzt zu einem Gespräch. Dabei übersetzten Rot und Ron, die beide russisch sprechen, die Antworten für das WOCHENBLATT. 
Obwohl das Rathausteam und die beiden Frauen auch schon vorher miteinander im Dialog gestanden hatten, wurde schnell deutlich, dass Tetiana Zheynska und Maryna Lazarets von ganz anderen Voraussetzungen als die beiden Verwaltungsmitarbeiter ausgehen. Die jungen Frauen scheinen gedacht zu haben, dass sie, wenn sie in der eher spärlich eingerichteten und räumlich beengten Obdachlosenunterkunft wohnen, Geld sparen können. Beide sind seit Mai vergangenen Jahres bei Elbe-Obst in Vollzeit beschäftigt und könnten sich eigentlich die Gebühren für das Zimmer und auch eine eigene Wohnung leisten. Da sie jedoch ihre Familien in der Ukraine unterstützen, ist das Geld knapp, und sie hätten auch keine Rücklagen gebildet, übersetzten Edgar Rot und Svetlana Ron. 

Mietwohnung oft günstiger als Obdachlosenunterkunft

"Für die beiden wäre es günstiger, wenn sie sich, nachdem sie eine Arbeit gefunden hatten, eine Wohnung gemietet hätten", sagt Edgar Rot. Darauf hatte die Verwaltung die beiden Frauen auch schon in dem Schreiben vom Juli 2022 aufmerksam gemacht. "Denn im Gegensatz zu vielen anderen Flüchtlingen mit nicht genehmigtem Aufenthaltsstatus dürfen die Ukrainerinnen ihre Unterkunft frei wählen", sagt Rot.
Die Gebühren für die Obdachlosenunterkünfte seien hoch - das weiß auch der Rathaus-Vizechef. Dennoch seien sie berechtigt. "Ihnen liegt eine Mischkalkulation zugrunde", so Edgar Rot. "Dort werden sämtliche Kosten, die mit der Unterbringung der Flüchtlinge zusammenhängen, mit eingerechnet." Dazu zählen neben den reinen Wohnraumnutzungs- und Nebenkosten z.B. auch die Anschaffungs- und Abschreibungskosten für die Container für die Unterbringung der Flüchtling. Darüber hinaus werden alle Instanthaltungsmaßnahmen und Reparaturen - vom Anschließen des Herdes über Rasennähen bis zur Endreinigung - von der Verwaltung koordiniert und zum Teil an Fachfirmen übergeben. "Das alles muss - von den Personalkosten bis zum Material - bezahlt werden und fließt in die Gebühren mit ein", so Edgar Rot. Das erkläre auch die unterschiedlichen Gebühren in den Kommunen. "In einigen Kommunen leben die Flüchtlinge in Sammelunterkünften, das ist natürlich günstiger - und andere Kommunen haben Container kaufen müssen, die jetzt abgeschrieben werden."

Kosten werden vom Verursacher gezahlt

Da das Kommunalabgabengesetz vorsehe, dass die Kosten von den Verursachern übernommen werden und erst, wenn das nicht möglich sei, der Steuerzahler aufkomme, tragen in Apensen alle Geld verdienenden Flüchtlinge die Kosten selbst - und alle, egal ob sie im Container oder in einem Wohnhaus untergebracht sind,  zahlen die gleiche Gebühr. "Probleme haben wir aber nur bei den beiden Ukrainerinnen",  sagt Edgar Rot. Tetiana Zheynska und Maryna Lazarets haben jetzt angefangen, eine Mietwohnung zu suchen, und hoffen auch nach dem Gespräch immer noch darauf, dass die Gebühren rückwirkend gesenkt werden. 

Es gilt das Gleichheitsprinzip

Auch wenn er Verständnis für die Situation der beiden Ukrainerinnen habe, könne die Samtgemeinde Apensen nicht von der Forderung absehen. "Für uns gilt das Gleichheitsprinzip", sagt Edgar Rot. "Die Kosten sind da und müssen bezahlt werden. Wir können nicht diesen beiden Frauen die Gebühren erlassen, weil sie ihre Familien unterstützen, und andere müssen weiterzahlen."
Er würde es - wie vom Flüchtlingsrat gefordert - auch befürworten, wenn das Land Niedersachsen beschließen würde, die Gebühren für die Unterbringung von Flüchtlingen zu deckeln. "Dann müsste das Land den Kommunen aber die Differenz erstatten", so Edgar Rot.

Das Thema schlägt hohe mediale Wellen

Der Vorwurf, viel zu hohe Gebühren für Obdachlosenunterkünfte zu verlangen, bringt die Samtgemeinde Apensen auch in den überregionalen Medien sowie im Fernsehen in die Schlagzeilen. Unter anderem haben auch die ARD in der Tagesschau und NDR in der Sendung Panorama 3 sowie das Politjournal Rundblick und die Zeitung taz das Thema aufgegriffen.

Der Film von Panorama 3:

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Abzocke-Was-Gefluechtete-fuer-ein-Bett-zahlen-sollen,panoramadrei4334.html

Abzocke für Flüchtlingsunterkunft in Apensen
Flüchtlingsrat fordert Maßnahmen
Edgar Rot und (li. neben ihm) Svetlana Ron im Gespräch mit den beiden Ukrainerinnen
Hat Verständnis für die Situation der beiden jungen Frauen, verteidigt aber dennoch die Höhe der Gebühren: Edgar Rot
Redakteur:

Nicola Dultz aus Buxtehude

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