Der Kunde entscheidet an der Kasse
Zukunftskommission Landwirtschaft: Skepsis bei den Kreislandwirten
(tk). Ist das der Durchbruch, wie Landwirtschaft mit einem akzeptablen Einkommen, Nachhaltigkeit und Ökologie sowie Verbraucherinteressen miteinander in Einklang gebracht werden? Ist die Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) vielleicht die eierlegende Wollmilchsau? 31 Interessenvertreter aus Landwirtschaft, Natur- und Umweltverbänden, Tierschutz sowie Wissenschaft und Wirtschaft haben fast einmütig einen Weg in eine nachhaltige Landwirtschaft skizziert, der alle unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen soll. Das Papier wurde am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. "Der Ansatz des Dialogs ist gut und richtig", sagt Stades Kreislandwirt Johann Knabbe. Beifallsstürme zur ZKL gibt es von ihm dennoch nicht: "Am Ende muss einer bereit sein, das alles zu bezahlen." Das ZKL-Papier sagt nämlich deutlich, dass Landwirte ein auskömmliches Einkommen durch ihre Arbeit haben müssen.
"Die Stimmung in der Landwirtschaft ist ganz weit unten", sagt Johann Knabbe. Mit dem Finger würde immer wieder auf die Landwirte gezeigt und sie würden zu Buhmännern gemacht. "Viele sind frustriert, manche denken ans Aufhören", so Knabbe. Daran werde fürs Erste auch ein in Harmonie verabschiedetes Konzept nichts ändern. Wobei, so Stades Kreislandwirt, es in der Kommission durchaus so stark geknirscht habe, dass es von Bauernverbänden den Gedanken zum Ausstieg gegeben habe. Greenpeace habe die Runde verlassen.
Für Johann Knabbe der Knackpunkt: Wer eine nachhaltigere Landwirtschaft will, muss sie bezahlen. "Am Ende entscheidet der Kunde an der Supermarktkasse", so Knabbe. Dass die Menschen wirklich bereit seien, mehr für Lebensmittel zu bezahlen, glaubt er nicht. "Wir produzieren das, was der Kunde nachfragt." Die überzeugten Ökoprodukte-Einkäufer und Hofladen-Kunden machen jetzt und auch in Zukunft nicht die Masse der Verbraucher aus.
Im Zusammenhang mit der ZKL wird auch immer der "Niedersächsische Weg" genannt. Diese bundesweit einmalige Vereinbarung, die Landesregierung, Landvolk, Landwirtschaftskammer sowie Natur- und Umweltverbände im vergangenen Herbst getroffen haben, ist eine gemeinsame Verpflichtung zu mehr Anstrengungen bei Natur- und Artenschutz, bei Biodiversität und beim Umgang mit der Ressource Landschaft. "Wir haben eine Absichtserklärung unterschrieben, sind aber noch keinen Millimeter weiter", kritisiert Johann Knabbe. Von offenen Fragen zur Düngung bis hin zu Abständen von Gewässern sei die Liste der offenen Punkte noch lang. "Das ist ein langer Weg", meint Knabbe über den "Niedersächsischen Weg". Mit der ZKL werde das wohl nicht anders sein.
Angesichts von Papieren, Statements und Absichtserklärungen hat Stades Kreislandwirt eine philosophische Sicht auf manche Dinge entwickelt: "Die Landwirtschaft passt nicht in die mitunter hektische Taktung der Politik."
Doppelmoral bei den Discountern
(tk). Martin Peters (Foto) ist Kreislandwirt im Kreis Harburg. "Es ist eine gute Sache, wenn man miteinander redet", sagt er über die ZKL. Der "Niedersächsische Weg" habe das vorgemacht. Woran er keinen Zweifel lässt: "Nichts darf dazu führen, dass Familienbetriebe aufgeben müssen." Auch Peters sieht das Thema Geld als Dreh- und Angelpunkt, wenn es um eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland geht. Angesichts des Vorstoßes von Aldi, ab 2030 nur noch Fleisch der Haltungsstufen 3 und 4 - also kein Billigfleisch - mehr zu verkaufen, spricht der Kreislandwirt von einer "Doppelmoral". Schließlich seien es Discounter, die seit 20 Jahren die Preise nach unten drücken. Seine Forderung an die Politik: Die nächste Bundesregierung muss das aufnehmen, was die ZKL erarbeitet hat.
Ziele der Zukunftskommission
(tk). Mehr Nachhaltigkeit, mehr Naturschutz und eine deutlich verbesserte Einkommenssituation für Landwirte sind Ziele, die während der zehnmonatigen Beratung in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) definiert wurden. Ein Überblick:
• Weniger Nutztiere sollen unter besseren Bedingungen leben. Der Fleischkonsum müsste dafür sinken, die Preise aber steigen. Experten schätzen, dass ein Kilo Rindfleisch dann das Fünf- bis Sechsfache des aktuellen Preises kosten würde.
• Ein Markt für faire Lebensmittel - auch auf EU-Ebene - müsste entstehen.
• Der Anteil von Landschafts-elementen und nicht bewirtschafteten Flächen in der Agrarlandschaft soll erhöht werden. Dafür müssten in Deutschland acht bis neun Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen aus der Produktion genommen oder extensiviert werden.
• Der Ökolandbau soll bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent der bewirtschafteten Fläche ausgedehnt werden.
• Die EU-Milliarden der Agrarförderung müssen anders verteilt werden: Die pauschale Flächenprämie soll Landwirte honorieren, die gesellschaftliche Leistungen erbringen, wenn z.B. Agrarlandschaft als Lebensraum für die Artenvielfalt zur Verfügung steht.
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