Rennradfahrer im Straßenverkehr
Die Radsportsaison hat begonnen. Unzählige Radsportler trainieren in leuchtenden Trikots im Straßenverkehr für ihre Veranstaltungen, fahren im Training und bei organisierten Radtourenfahrten in Gruppen zu zweit nebeneinander auf der Landstraße. Viele Autofahrer sind genervt. Auf den Straßen finden zum Teil gefährliche Machtkämpfe zwischen Auto- und Radfahrern statt.
Warum fahren die Sportler überhaupt auf der Straße statt auf dem Radweg, will das WOCHENBLATT von Jens Klüver, Spartenleiter der Radabteilung des Buxtehuder Sportvereins wissen.
Jens Klüver: Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist sportliches Fahren auf einem Radweg, den wir uns mit Fußgängern und normalen Radfahreren teilen, viel zu gefährlich. Wir erreichen immerhin Geschwindigkeiten von 20 bis 40 km/h. Außerdem sind viele Radwege in einem schlechten Zustand. Rennräder haben dünne Reifen, die Sturzgefahr bei Unebenheiten ist hoch. Außerdem haben wir als Verein eine Ausnahmegenehmigung - wir dürfen auf bestimmten Strecken die Straße benutzen.
WOCHENBLATT: Können die Radfahrer denn auf der Straße nicht wenigstens hintereinander statt nebeneinander fahren?
Jens Klüver: Es gehört zur Technik des Rennradfahrens, nebeneinander zu fahren, um sich Windschatten zu geben. Auf engen Straßen und in Kurven fahren wir natürlich in einer Reihe. Wir geben uns aber auch Hinweise, wenn Autos vorbei wollen und nicht können, dann reihen wir uns ein.
WOCHENBLATT: Müssen Sie unbedingt auf dicht befahrenen Straßen fahren?
Jens Klüver: Nein, das tun wir auch möglichst nicht. Aber wir fahren bei unseren Trainingseinheiten rund 70 km durch die Landkreise Stade und Harburg, da kann es schon mal passieren, dass wir eine kurze Strecke auf einer befahrenen Straße zurücklegen müssen, bis wir wieder in ruhigere Wege abbiegen.
WOCHENBLATT: Insbesondere Rennradfahrer fahren häufig nicht ganz rechts am Fahrbahnrand wie andere Radfahrer und weichen entgegenkommenden Fahrzeugen nicht aus. Wollen Sie damit provozieren?
Jens Klüver: Nein, das hängt mit den dünnen Reifen zusammen. Rechts liegt oft Sand und Split - dort können wir nicht fahren. Auch auf Grünstreifen können wir nicht ausweichen, ohne zu stürzen.
WOCHENBLATT: Was wünschen Sie sich als Radfahrer von den Autofahrern?
Jens Klüver: Wie die meisten Radsportler bin ich natürlich auch selbst Autofahrer. Ich wünsche mir grundsätzlich mehr Verständnis und Rücksichtnahme auf schwächere Verkehrsteilnehmer.
WOCHENBLATT: Haben Sie selbst schon einmal schlechte Erfahrungen als Radsportler mit Autofahrern gemacht?
Jens Klüver:Ja, wir erleben bei fast jeder Ausfahrt, dass wir lange und aggressiv angehupt oder aus dem Fenster beschimpft werden und dass wir mit rasantem Tempo und einem Abstand von weniger als einem Meter überholt werden. Ich bin auf einer Radtourenfahrt sogar schon mit Absicht angefahren worden.
WOCHENBLATT: Wie kam es dazu?
Jens Klüver: Der Autofahrer war sauer, weil er wegen uns abbremsen musste. Er wusste wohl nicht, dass eine geschlossene Gruppe von Radfahren beim Abbiegen wie ein Fahrzeug gilt. Er gab Gas und hielt auf uns zu, stoppte dann aber doch im letzten Augenblick - direkt vor mir.
WOCHENBLATT: Was passierte dann?
Jens Klüver: Ich hatte auch eine Vollbremsung gemacht und wir standen uns gegenüber. Dann gab der Autofahrer Gas und fuhr mein Fahrrad an.
WOCHENBLATT: Haben Sie ihn angezeigt?
Jens Klüver: Nein, ich hatte es zuerst vor, aber dann könnten wir fast nach jeder Tour Autofahrer anzeigen. Und wir wollen die Situation nicht weiter zuspitzen, sondern für Verständnis werben. Vielleicht trägt dieses Interview ja dazu bei.
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