Verleumdet und unschuldig verbrannt
Angela Löding aus Harmstorf kämpft für die Rehabilitation ihrer als Hexen verurteilten Vorfahrinnen

Endlich hält Angela Löding aus Harmstorf die rund 400 Jahre alte Akte in der Hand. Es handelt sich dabei um die Orginal-Unterlagen zu den Gerichtsprozessen um ihre Vorfahrin Lucia Reichmann, die 1630 im Zuge der Hexenprozesse in Bad Laasphe gestorben ist. 
Heimatforscher Klaus Homrighausen überreichte ihr das historische Dokument in der Rentkammer des Schlosses Wittgenstein, dem Ort, an dem Lucia Reichmann vermutlich verurteilt und gefoltert wurde. Löding setzt sich jetzt dafür ein, ihre unschuldig als Hexen verurteilten Vorfahrinnen zu rehabilitieren | Foto: Löding
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  • Endlich hält Angela Löding aus Harmstorf die rund 400 Jahre alte Akte in der Hand. Es handelt sich dabei um die Orginal-Unterlagen zu den Gerichtsprozessen um ihre Vorfahrin Lucia Reichmann, die 1630 im Zuge der Hexenprozesse in Bad Laasphe gestorben ist.
    Heimatforscher Klaus Homrighausen überreichte ihr das historische Dokument in der Rentkammer des Schlosses Wittgenstein, dem Ort, an dem Lucia Reichmann vermutlich verurteilt und gefoltert wurde. Löding setzt sich jetzt dafür ein, ihre unschuldig als Hexen verurteilten Vorfahrinnen zu rehabilitieren
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as. Harmstorf. Eine Kuh stirbt, die Milch wird sauer - ist nicht gestern erst die Nachbarin am Stall vorbeigegangen? Da muss Hexerei im Spiel sein. Etwa 25.000 Menschen, überwiegend Frauen, wurden zwischen 1400 und 1800 in Deutschland wegen Hexerei angeklagt, gefoltert und verbrannt.

Angela Löding aus Harmstorf (Landkreis Harburg) ist die Nachfahrin einiger verurteilter "Hexen" und setzt sich für deren Rehabilitierung ein. "Bei den vermeintlichen Hexen hat es sich nicht 'nur' um Kräuterfrauen gehandelt. Auch das Bild der Hexe, die in der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg ums Feuer tanzt, legt den Fokus auf die falsche Stelle. Die Hexenverfolgung war eine Form von Gewalt gegen Frauen - und zwar gegen alle Frauen. Jede konnte es treffen!", sagt die 83-Jährige.

Unter den Vorfahren der Harmstorferin gibt es mehrere Frauen und einen Mann, die im 16. und 17. Jahrhundert als Hexen verurteilt, gefoltert und schließlich getötet wurden. Seitdem sie bei ihrer Ahnenforschung (das WOCHENBLATT berichtete) auf die vermeintlichen Hexen gestoßen ist, bemüht sich Löding darum, die Ehre der unschuldig Verurteilten wiederherzustellen. "Meine Vorfahren waren keine Verbrecher. Ich möchte, dass den Opfern der Hexenverfolgung gedacht wird."

Die Hexenverfolgung sei quer durch alle Bevölkerungsschichten gegangen, berichtet Löding. "Aus Neid, Missgunst und Geldgier wurden Lügen verbreitet und Unschuldige 'gemobbt'." Hinzu kommt: Wenn eine Frau wegen Hexerei verurteilt wurde, wurden meist auch die anderen weiblichen Familienmitglieder der Zauberei bezichtigt. "Als Frau konnte man nie sicher sein, dass man mit dem Leben davon kommt - das ist für mich das Erschütternde", sagt Angela Löding.

Die üble Nachrede habe meist mit Anklage, Folterung oder Hinrichtung der beschuldigten Person geendet. "Das Fatale ist, dass damals fast jeder an Zauberei und Hexerei glaubte - auch hochgestellte Persönlichkeiten, zum Beispiel Martin Luther", berichtet Angela Löding.

In Deutschland wurde ca. im Jahr 2000 mit der offiziellen Aufarbeitung der Hexenprozesse begonnen. Die treibende Kraft ist der evangelische Pastor Hartmut Hegeler, bei dem sich auch Angela Löding Hilfe geholt hat, um die Rehabilitierung ihre Vorfahrinnen zu erwirken. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa widmet man sich derzeit der Aufarbeitung der Hexenverfolgung. Das Engagement Lödings blieb in diesem Zusammenhang nicht unbemerkt, sowohl das Wallstreet Journal als auch ein russischer Fernsehsender haben bereits Interviews mit der Harmstorferin geführt.

Einige deutsche Kommunen haben mittlerweile offiziell eine moralische/sozialethische Rehabilitation der wegen angeblicher Hexerei verurteilten Bürgerinnen und Bürger ausgesprochen, darunter auch die Stadt Buxtehude (siehe unten). Der Rat der Stadt Bad Laasphe ist 2015 dem Antrag von Angela Löding gefolgt und hat beschlossen, die Opfer der Hexenprozesse zu rehabilitieren. "Die Rehabilitierungsinitiative hilft, an diese Verbrechen zu erinnern, dafür zu sensibilisieren und auch ein historisches Bewusstsein zu schaffen", sagt Löding.

Ihr Versuch, für ihre Vorfahrin Anna Wackes, die 1598 bei einem Hexenprozess in Benshausen (Thüringen) verurteilt und verbrannt wurde, und weitere ortsansässige Opfer der Hexenprozesse ebenfalls eine Rehabilitation zu erwirken, war bislang noch nicht erfolgreich. "Es sind 'Unrechtsurteile' gewesen, die man schon lange hätte aufheben müssen", betont Angela Löding.

"Ihr foltert Gott im Himmel"

Zu den Vorfahren Angela Lödings gehört auch Lucia Reichmann, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Laasphe (Nordrhein-Westfalen) lebte und deren Akten zum Hexenprozess bis heute erhalten sind: 1609 wird Lucia Reichmann vorgeworfen, Schadenszauber am Vieh eines Bauern geübt zu haben. Im Verhör streitet sie die Tat ab, auch die aufgerufenen Zeugen sprechen zu ihren Gunsten. Der Bauer hingegen lastet ihr weiterhin den Tod seiner sieben Rinder an. Allerdings muss er bekennen, dass er Schulden bei Lucia hatte und deshalb mit ihr im Streit lag. Mit dem Hinweis auf ihre unversorgten Kinder wird Lucia Reichmann gegen Kaution freigelassen - vorerst.

20 Jahre später gerät Reichmann erneut in einen Hexenprozess. Unglücklicherweise hatte sie sich nach der Freilassung aus dem vorherigen Hexenprozess der Unschuld gerühmt und gesagt, wenn sie eine Hexe sei, solle ihr Haus in Flammen aufgehen. Kurze Zeit später kommt es zu einem Brand in ihrem Haus. Die Anschuldigungen lassen nicht lang auf sich warten. Ein Dorfbewohner hätte bei Lucia Bier getrunken, sei daraufhin schwach geworden und habe "häßliche Materie" von sich gegeben. Eine Frau sei von Lucia am Arm berührt worden und litt kurz danach an einer Hauterkrankung.

Im Oktober 1629 wird sie dem ersten Verhör unterzogen. Sie wehrt sich mit aller Kraft, beharrt darauf, keine Zauberin zu sein. Daraufhin wird die "peinliche Befragung" beschlossen - Lucia wird gefoltert. Von Daumenschrauben, Peitschenschlägen über das Anlegen und Zuschrauben der Beinstöcke bis zum Ausrenken der Glieder werden alle drei Foltergrade angewandt. Trotz unsäglicher Schmerzen gesteht sie die vermeintlichen Taten nicht. Im Gegenteil: Immer wieder ruft sie "Ihr foltert Gott im Himmel".

Schließlich wird sie am 21. Januar 1630 tot im Gefängnis gefunden. In der Akte ist vermerkt, dass ihr Genick gebrochen ist. Dies wurde als Tat Satans ausgelegt. "Lucia Reichmann wurde ermordet, sie ist an den Folgen der Folter gestorben", ist Angela Löding überzeugt.

Buxtehude hat die Frauen rehabilitiert

Der Rat der Hansestadt Buxtehude hat sich 2016 mit dem dunklen und grausamen Kapitel der Stadt auseinandergesetzt und einstimmig beschlossen, die Ehre der 21 zwischen 1540 und 1644 wegen Hexerei und Zauberei angeklagten Frauen wiederherzustellen. Sie waren der Buhlschaft, des Schadenszaubers oder des Teufelstanzes angeklagt worden. In Buxtehude wurden damals 15 Frauen hingerichtet, 13 durch Verbrennung. Im Stadtarchiv sind dazu noch viele Akten erhalten.
Seit 2017 erinnern drei Bronzetafeln mit den Namen der Opfer am Buxtehuder Rathaus an die Hexenprozesse.

Walpurgisnacht

Die Walpurgisnacht ist ein traditionelles nord- und mitteleuropäisches Fest, das am 30. April gefeiert wird. Der Name des Festes leitet sich von der heiligen Walburga ab, deren Gedenktag bis ins Mittelalter am 1. Mai, dem Tag ihrer Heiligsprechung, gefeiert wurde. Der „Tanz in den Mai“ wird, nicht zuletzt aufgrund des Feiertags am 1. Mai (Tag der Arbeit), noch heute gefeiert.

Der Sage nach versammeln sich in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai die Hexen auf dem Brocken, dem höchsten Berg im Harz, um dort mit dem Teufel ein großes Fest zu feiern. In der Literatur ist der Hexensabbat ein beliebtes Motiv: Goethe lässt seinen Faust von Mephisto zum Hexentanz auf den Blocksberg locken und Otfried Preußler hat die Geschichte der "Kleinen Hexe" erzählt, die nicht mit zum Blocksberg fliegen darf.

Redakteur:

Anke Settekorn aus Jesteburg

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