Viele Frauen werden abgelehnt
Die Plätze in unseren Frauenhäusern reichen nicht
(sv). Wenn es in der Partnerschaft zu häuslicher Gewalt kommt und betroffene Frauen sich zuhause nicht mehr sicher fühlen, sollen sie Schutz und Unterkunft im Frauenhaus finden. Dafür müsste es laut Istanbul-Konvention in jedem Landkreis einen Frauenhausplatz pro 10.000 Einwohnern geben. Doch in der Realität sind es deutlich weniger. Berechnet auf die Einwohnerzahl im Landkreis Harburg sollten es 25 Plätze sein, es sind aber nur acht. Im Landkreis Stade sogar nur fünf Plätze.
Im Sozialausschuss des Landkreises Stade wurde deshalb kürzlich über eine Erweiterung des seit 1988 bestehenden Frauenhauses in Stade diskutiert. Hier ist die Auslastung erst kürzlich exponentiell angestiegen: "Bis 2019 hatten unsere fünf Plätze noch eine Auslastung von 60 bis 67 Prozent im Jahr", sagt Frauenhausleiterin Hanne Rathjens. Die vor dem Umzug zur Verfügung stehenden Räume seien zu klein für Mütter mit mehreren Kindern gewesen und deshalb nicht für jede Frau in Frage gekommen. Doch seit das Frauenhaus 2020 größere Familienzimmer anbieten kann, liege die Auslastung bei über 90 Prozent. Über 100 Frauen mussten im Jahr 2021 abgelehnt werden. Aufgenommen wurden gerade einmal 34 Frauen und ca. 40 Kinder.
"Wir bemerken zudem, dass die Frauen immer länger im Frauenhaus verweilen, weil es nicht genug Wohnraum in der Region gibt", sagt Hanne Rathjens. Viele Frauen seien auf Arbeitslosengeld II angewiesen, traumatisiert, hätten Kinder oder einen Migrationshintergrund. Das mache sie auf dem Wohnungsmarkt unattraktiv.
Wegen des dringenden Platzbedarfs soll nun eine zweite Immobilie angemietet werden, die immerhin neun weitere Plätze sowie eine präventive Frauengewaltberatungsstelle bieten wird. Mit der Erweiterung würde auch ein wichtiger Schritt getan, um die schutzsuchenden Frauen aus der Opferrolle und der Isolation zu befreien. Um die Bewohnerinnen dieser Einrichtung weniger von den ihnen wichtigen Menschen zu isolieren, ist beispielsweise ein von dem Wohnbereich getrennter Raum geplant, in dem die Frauen enge Vertraute und die Kinder ihre Schulfreunde treffen können. "Wir müssen natürlich ein räumliches Sicherheitskonzept mit der Polizei abstimmen. Aber die Frauen, bei denen ein akutes Hochrisiko besteht, werden ohnehin nicht hier im Landkreis untergebracht", klärt Rathjens auf.
Die Situation in Buchholz
Das AWO-Frauenhaus in Buchholz (Landkreis Harburg) gerät mit seinen acht verfügbaren Plätzen und einer Auslastung von 70 bis 80 Prozent ebenfalls regelmäßig ans Limit und registriert eine längere Verweildauer durch den herausfordernden Wohnungsmarkt. Und auch die Pandemie macht sich bemerkbar: "Während der Lockdowns waren wir kaum ausgelastet, was wir dazu nutzen konnten, ein freies Zimmer als Quarantänezimmer einzurichten", sagt die stellvertretende AWO-Leiterin Elisabeth Meinhold-Engbers. Doch infolge der Lockerungen sei das Frauenhaus inzwischen fast immer voll. "Was von vielen nicht bedacht wird, ist, dass wir nicht nur Frauen aus dem Landkreis aufnehmen, sondern auch Frauen aus anderen Landkreisen und Bundesländern, die in ihrem Heimatort einem hohen Risiko ausgesetzt sind. Unsere Auslastung ist auch nie konstant bei 80 Prozent. Es gibt immer wieder Phasen, in denen weniger los ist, und dann sind wir wieder monatelang voll."
Viele der Anfragen müsse die AWO an andere Frauenhäuser weitervermitteln. Doch einige Einrichtungen nehmen beispielsweise keine Frauen mit Jungen über zwölf oder 13 Jahren auf.
Auch der Anteil der Migrantinnen unter den Schutzsuchenden habe zugenommen, sagt Meinhold-Engbers. Denn sie hätten oft keine Ausgangsfamilie, zu der sie zurückkehren können, und ihr soziales Umfeld sei zu klein.
Redakteur:Svenja Adamski aus Buchholz |
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